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Neandertaler Neandertaler: Große Augen - weniger Hirn

Von Elisa Elschner 14.03.2013, 18:42
Nachbildung eines Neandertalers im Museum Mettmann
Nachbildung eines Neandertalers im Museum Mettmann DPA Lizenz

London/MZ - Die menschliche Gesellschaft basiert zweifellos auf dem sozialen Miteinander. Eine im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlichte Studie befindet nun, dass der Mangel sozialen Kompetenzen Grund für das Aussterben der Neandertaler vor rund 28 000 Jahren sein könnte.

Die Gruppe von Wissenschaftlern der Universität Oxford und des Naturkundemuseums London untersuchte die Schädel von 32 Homo Sapiens und 13 Neandertalern und zog Rückschlüsse auf ihre Gehirnfunktionen. Zwar waren die Schädel der Neandertaler und Homo Sapiens gleich groß. Doch hatte der Neandertaler deutlich größere Augenhöhlen und demzufolge größere Augen und weniger Hirn. Auch hatte der Neandertaler einen deutlich größeren Körper als der menschliche Vorfahr.

Eiluned Pearce, Leiterin der Studie, erklärt diese Befunde in einem Interview mit dem Sender BBC News damit, dass der Neandertaler früher als der Homo Sapiens aus Afrika nach Europa umsiedelte. „Im deutlich kälteren und dunkleren Europa entwickelte sich die Sehfähigkeit und der Körperbau des Neandertalers. Jedoch auf Kosten anderer kognitiver Fähigkeiten, die zum sozialen Zusammenleben benötigt werden“, fügte Pearce hinzu.

Homo Sapiens anpassungsfähiger

Die Forscher befanden, dass dem Neandertaler die überlebenswichtigen sozialen Kompetenzen fehlten, um Krisen wie zum Beispiel den Einbruch der Eiszeit zu überleben. Im Gegensatz dazu entwickelte der Homo Sapiens, der länger als der Neandertaler im helleren und wärmeren Afrika verweilte, größere Stirnvorderlappen, die generell mit abstraktem, innovativem und strukturiertem Denken assoziiert werden. Diese Vermutungen werden von archäologischen Befunden gestützt, die darauf hinweisen, dass der Homo Sapiens Nadeln zur Herstellung dickerer Kleidung entwickelte und in großen Gruppen lebte. Entsprechend gehen die britischen Wissenschaftler davon aus, dass die bessere Anpassungsfähigkeit des Homo Sapiens Grund dafür ist, dass er die Eiszeit überlebte, der Neandertaler jedoch nicht.

Die Wissenschaftler begründen ihre Theorie mit moderner Primatenforschung. Studien der vergangenen Jahre zeigen auf, dass die Größe der Gruppe, in der Primaten leben können, in direkter Relation mit der Größe bestimmter Hirnregionen steht. Je größer die kognitive Zone desto größer ist die Gruppe, in der ein Primat leben kann.

Professor Chris Stringer, Forscher des Londoner Naturkundemuseums, erklärte gegenüber der BBC: „Wenn man mit einer großen Gruppe zusammenlebt, braucht man ein größeres Gehirn, um all die zusätzlichen Beziehungen verarbeiten zu können.“

Bis heute ist der Grund für das Aussterben der Neandertaler umstritten. Mögliche Theorien beziehen sich auf klimatische Veränderungen oder das Vordringen des Homo Sapiens. Trotz ihrer neuen Theorie schließt Pearce nicht aus, dass die geringe Anpassungsfähigkeit des Neandertalers nur einer von vielen Gründen für sein Aussterben gewesen sein könnte.