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Tourismus Studie: Nationalpark-Status zieht Gäste ans Wattenmeer

Das Wattenmeer ist beliebtes Ausflugsziel. Und der Status als Nationalpark ist einer neuen Studie zufolge für fast jeden fünften Gast Grund, die Region zu besuchen.

Von dpa 26.02.2024, 14:09
Ein Schild mit der Aufschrift „Nationalpark“ steht vor der Dünenlandschaft am Ostende der Insel Norderney.
Ein Schild mit der Aufschrift „Nationalpark“ steht vor der Dünenlandschaft am Ostende der Insel Norderney. Hauke-Christian Dittrich/dpa

Tönning - Passen Naturschutz und Tourismus zusammen? Wird die regionale wirtschaftliche Entwicklung an der schleswig-holsteinischen Wattenmeerküste durch den Nationalpark ausgebremst? Mit solchen Fragen haben sich Experten der Universität Würzburg in einer aktuellen Studie im Auftrag der Nationalparkstiftung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer beschäftigt. Fazit: „Der Schutz der Natur schließt eine ökonomische Entwicklung der Region nicht aus“, sagte Studienleiter Hubert Job am Montag bei der Vorstellung der Studie im Nationalparkzentrum Multimar Wattforum in Tönning. Sie könne durch den Tourismus gestärkt werden.

Job und sei Team haben von Mai 2021 bis April 2022 mehr als 21.500 Touristinnen und Touristen an 14 verschiedenen Standorten in der Nationalparkregion befragt. „Die Daten sind massiv belastbar“, sagte Job.

Nur Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer stärker besucht

Demnach ist der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer einer neuen Studie zufolge einer der meistbesuchten im Vergleich aller 16 Nationalparks in Deutschland. Innerhalb von zwölf Monaten zwischen Frühjahr 2021 und Frühjahr 2022 zählten die Würzburger Forscher rund 21,43 Millionen Besuchstage im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Nur das niedersächsische Pendant zählte bei der dortigen Untersuchung 2019/20 demnach mehr Besuchstage (21,7 Millionen).

Im Zeitvergleich zwischen der vorherigen Untersuchung aus dem Jahr 2012/13 und der aktuellen Studie stiegen die Besuchstage den Angaben zufolge in schleswig-holsteinischen Wattenmeer um 15,0 Prozent an. Die Besuchstage ergeben sich aus den Tages- und den Übernachtungsgästen. Ein Besucher, der sieben Nächte in der Nationalparkregion verbringt, geht auch siebenmal in die Statistik ein.

Studie: Fast jeder fünfte Gast kommt wegen des Nationalparks

Der Studie zufolge sind 76,3 Prozent der Besucher und Besucherinnen des Nationalparks Übernachtungsgäste und 23,7 Prozent Tagesgäste. Und: „Fast jeder Fünfte (18,2 Prozent) kommt wegen des Nationalparks“, sagte Job.

Die touristische Wertschöpfung beziffern die Autoren der Studie im Jahr 2021/22 auf 826 Millionen Euro. Davon entfallen 155 Millionen Euro auf die 18,2 Prozent Nationalparktouristen im engeren Sinn. Das sind diejenigen, die nicht nur um den besonderen Schutz als Nationalpark/Weltnaturerbe wissen, sondern dem Schutzgebiet zudem eine sehr große oder große Rolle bei ihrer Reiseentscheidung beigemessen haben. 2012/13 waren es 17,1 Prozent.

Die niedersächsische Wattenmeer-Region besuchten im Zeitraum 2019/20 etwa 15,3 Prozent aller Gäste, weil es sich um einen Nationalpark handelt. 2007 begründeten noch 10,9 Prozent der Gäste ihren Aufenthalt mit dem Vorhandensein des Nationalparks. Job erklärt den Zuwachs unter anderem damit, dass das Wattenmeer erst 2009 in das Weltnaturerbe der Arezzo aufgenommen und dadurch bekannter wurde.

Rein rechnerisch könnten in Schleswig-Holstein 5444 Personen von den touristischen Ausgaben der Nationalparktouristen im engeren Sinn leben. Dies sind den Angaben zufolge 38,4 Prozent mehr als bei der Erhebung 2012/13. Der Schutz der Natur schließe eine ökonomische Entwicklung der Region nicht aus, sagte Job.

Der Leiter des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer sagte, der Nationalpark nehme eine bedeutende Stellung ein, auch was die Sicherung des Familieneinkommens in der Region angehe. „Ein Nationalpark steht nicht im Gegensatz zu ökonomischen Interessen“, betonte er auch mit Blick auf die Diskussion im Osten des Landes.

Nationalpark für die Ostsee wird in SH diskutiert

In Schleswig-Holstein wird seit rund einem Jahr über einen Nationalpark Ostsee diskutiert. Im März 2023 hatte Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) einen Konsultationsprozess darüber gestartet. Der Koalitionspartner CDU lehnt einen Nationalpark aber ab. Die Union will den schlechten Zustand des Meeres stattdessen mit Hilfe freiwilliger Vereinbarungen sowie Steinriffen und Seegraswiesen verbessern. Während der Konsultationen sprachen sich vor allem Tourismusunternehmen und -verbände, aber auch viele Kommunen an der Küste gegen einen Nationalpark aus. Sie befürchten Einschränkungen etwa für den Wassersport. Unterstützung für einen Nationalpark kam von Umweltverbänden.

Am Montag überreichten Naturschutzverbände Goldschmidt ein Positionspapier für einen besseren Ostseeschutz. Die naturschutzpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Silke Backsen, sagte, „an der Nordsee genießt der Nationalpark breite Unterstützung und ist neben der Wirkung für den Meeres- und Naturschutz auch ein Tourismusmagnet. Warum diese guten Erfahrungen nicht auch an der Ostsee nutzen?“

Minister Goldschmidt sagte der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die Studie aus Würzburg, Nationalparks übten eine große Faszination auf Touristen aus. „Sie sind oft ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sie stärken die Wertschöpfung in der Region und fördern einen qualitativ hochwertigen und vor allem auch nachhaltigen Tourismus.“ Naturschutz und ökonomische Interessen gingen bei Nationalparks meist Hand in Hand, zeige die Studie.

Nach Ansicht des Ministers wäre eine solche Synergie zwischen wirtschaftlichen Vorteilen und Naturschutz-Belangen auch für einen verbesserten Schutz der Ostsee eine große Chance. Das sei auch Thema in der Konsultation zu einem möglichen Ostseenationalpark gewesen. „Wir haben in Schleswig-Holstein nicht nur den Wirtschaftsfaktor erneuerbare Energien - auch unsere Küsten und Meere können mit ihrer Schönheit und einzigartigen Natur noch viel stärker ein Zugpferd für unsere Wirtschaft werden. Wir müssen sie aber dringend besser schützen, damit wir sie noch lange nutzen können.“