Nach Familiendrama Nach Familiendrama: Tatverdächtiger von Augsburg durch DNA überführt

Augsburg/Istanbul/dpa. - Wenige Tage nach dem Fünffachmord in Augsburg ist der Verdächtige Ali Göbelek in der Türkei gefasst und von der deutschen Polizei als Alleintäter identifiziert worden. Ein genetischer Fingerabdruck habe den 37-jährigen Türken «zweifelsfrei und eindeutig» als Verantwortlichen für die Bluttat überführt, teilte die Augsburger Polizei am Sonntag mit. Als Motiv nehmen die Fahnder Eifersucht, Neid und Habgier an. Die türkische Polizei hatte Göbelek am Vortag nach einem Schusswechsel in Adana, der Heimatstadt seiner Opfer, festgenommen. Er hatte sich wenige Stunden nach der Tat in seine Heimat abgesetzt und war im Süden des Landes untergetaucht. In der Türkei soll er sich auch vor Gericht verantworten.
Göbelek habe den Mord an seiner 29 Jahre alten Frau aus Habgier und niedrigen Beweggründen begangen, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz in Augsburg am Sonntag. Die vier anderen Opfer, die siebenjährige Tochter seiner Frau aus erster Ehe, die Schwiegermutter (53), einen Schwager (25) und einen 26-jährigen Freund aus Tschechien, habe Göbelek im Schlaf überfallen. Er habe sie zunächst mit wuchtigen Schlägen bewusstlos gemacht und dann erstochen, sagte der Leiter der Sonderkommission, Klaus Bayerl. Die Opfer hätten sich offensichtlich nicht gewehrt. Als Tatwaffen wurden ein Küchen- und ein Teppichmesser gefunden. Nemetz wies Aussagen von Göbelek zurück, Skinheads hätten das Verbrechen verübt: «Ali Göbelek ist zweifelsfrei der Alleintäter. Es gibt keine Hinweise auf andere Täter.»
Bevor er seine Ehefrau ermordete, habe er sie misshandelt, um sie zum Öffnen des Familientresors zu zwingen, den er dann doch gewaltsam aufbrach und daraus etwa 7000 Euro raubte. Außerdem musste die 29- Jährige sich bei ihrem Arbeitgeber telefonisch krankmelden, damit er genug Zeit für seine geplante Flucht in die Türkei hatte. Dies sei auch das Motiv für den Mord an den vier Schlafenden gewesen. Bei der Flucht von München nach Istanbul habe Göbeleks Bruder geholfen, ohne offenbar von den Morden gewusst zu haben, sagte Nemetz.
Hintergrund der Bluttat waren nach Auffassung der deutschen Ermittler Beziehungsprobleme zwischen dem Paar. Göbelek war erst vor eineinhalb Jahren nach Deutschland gekommen. Er sei ein Außenseiter gewesen, habe kaum Deutsch gesprochen und häufig den Arbeitsplatz gewechselt. Seine Frau sei dagegen sehr aufgeschlossen und modern gewesen, habe einen größeren Freundeskreis gehabt und mehr Geld verdient als Göbelek. Das Paar hatte im April 2003 geheiratet und sich Ende 2003 wieder getrennt. Drei Wochen vor der Bluttat war Göbelek wieder in das Augsburger Reihenhaus eingezogen. Noch am Tag vor der Bluttat soll er damit gedroht haben, im Fall einer erneuten Trennung die ganze Familie töten zu wollen.
In Adana war es den türkischen Polizisten am Samstag erst nach eineinhalbstündigen Verhandlungen gelungen, den 37-Jährigen in einem unachtsamen Moment zu überwältigen. Die Beamten hatten einen Tipp aus der Bevölkerung erhalten und den Gesuchten in einer Straße von Adana aufgespürt. Als er seine Verfolger bemerkte und ihn die Polizisten zum Stehenbleiben aufforderten, zog er eine Waffe und feuerte in die Luft. Um die Polizisten von sich fern zu halten, drohte er mit Selbstmord und drückte die Pistole gegen seine Schläfe. «Ich habe es nicht getan, ich bin unschuldig», rief er und bestand darauf, nicht nach Deutschland ausgeliefert zu werden.
Die Türkei werde den Täter nicht ausliefern, erklärte Nemetz. Göbelek müsse sich dort vor einem Gericht verantworten. Die Augsburger Behörden wollen dafür der Türkei alle Beweise übergeben und auch die deutschen Ermittler zur Aussage dorthin schicken. Zwischen Deutschland und der Türkei gilt das Europäische Auslieferungsübereinkommen, wonach die Staaten das Recht haben, eigene Staatsbürger nicht auszuliefern.
