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Nach Erdbeben in China wächst Seuchengefahr

16.05.2008, 13:38

Peking/dpa. - Nach dem verheerenden Erdbeben in China mit vermutlich mehr als 50 000 Todesopfern wächst bei feuchtwarmem Wetter die Seuchengefahr. Die Regierung mahnte, die Leichen möglichst schnell und abseits von Wasserquellen oder bewohnten Gebieten zu beerdigen.

Vier Tage nach der Katastrophe in der südwestchinesischen Provinz Sichuan wurden am Freitag noch mehr als 10 000 Menschen unter Trümmern vermutet, rund fünf Millionen Menschen sind obdachlos. Die Überlebenschancen wurden immer geringer. Die Hilfsbemühungen stecken nach Einschätzung von Präsident Hu Jintao in einer «entscheidenden Phase». Es fehlt an Trinkwasser, Nahrung, Medikamenten und Zelten.

Bei einem Besuch in der Stadt Mianyang rief der Staats- und Parteichef zu «größeren Anstrengungen» auf, die 100 000 Verletzten zu behandeln, die Obdachlosen zu versorgen und die Infrastruktur wiederherzustellen. «Die Herausforderung ist weiter gewaltig, die Aufgabe schwer und die Zeit drängt», zitierte ihn die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Niemals seit der Staatsgründung im Jahr 1949 sei ein Erdbeben so zerstörerisch gewesen, sagte Regierungschef Wen Jiabao. Es sei stärker gewesen als das Beben 1976 in Tangshan in Nordostchina mit rund 240 000 Toten, das als das folgenschwerste des 20. Jahrhunderts gilt. Seismologen korrigierten die Stärke des Bebens vom Montag in Sichuan nachträglich von 7,8 auf 7,9.

Neue Gefahr drohte durch Schäden an mehr als 500 Staudämmen im Erdbebengebiet. Sollten sie brechen, könnten weite Landstriche überflutet werden. Chinas Regierung stellte eine Soforthilfe von 53 Millionen Yuan (rund 5 Millionen Euro) bereit. Mit dem Geld sollen die zerstörten Einrichtungen zur Kontrolle der Wasserreservoirs und zur Wetterbeobachtung repariert werden. Das Wasserministerium hatte vor einer «ernsten Gefahr» durch beträchtliche Erdbebenschäden an den Staudämmen gewarnt. Im Notfall müsse die Bevölkerung evakuiert werden. Mehr als 500 kleinere und mittlere Staubecken in der Provinz Sichuan und der Region von Chongqing sind beschädigt. In diesem Monat beginnt in der Erdbebenregion die Regenzeit.

Vier Tage nach dem Beben rückte die Seuchengefahr immer dringender in den Mittelpunkt. Das Parteiorgan «Renmin Ribao» (Volkszeitung) verbreitete einen Aufruf: «Wir müssen gegenüber den potenziellen Gefahren höchst wachsam sein und vorbeugende Maßnahmen ergreifen.» Vizegesundheitsminister Gao Qiang sagte, die hygienischen Bedingungen und die Seuchenkontrolle müssten jetzt besondere Beachtung finden. Die Behörden und die mehr als 100 000 Soldaten, die bei den Bergungsarbeiten helfen, wurden zur Wachsamkeit aufgerufen.

Mit Mundschutz arbeiteten auch tausende Helfer in dem Ort Hanwang nahe der Stadt Deyang, wo bislang 6700 Tote bestätigt sind. Ohne Spürhunde suchten sie weiter nach Verschütteten. In Hanwang waren ganze Wohnblocks reihenweise eingestürzt. Einige Häuser standen zwar noch, doch waren die Siedlungen menschenleer - «wie eine Geisterstadt», sagte ein Augenzeuge. Aus Angst vor Nachbeben und wegen der Einsturzgefahr der Häuser leben die Menschen auf der Straße, schliefen unter Plastikplanen. Die Hilfsmannschaften hatten blaue Lazarettzelte aufgebaut, in denen die Verletzten behandelt wurden. Starke Nachbeben bis zur Stärke 5,9 erschütterten auch am Freitag die Region.

Erstmals in der Geschichte Chinas arbeiten auch ausländische Bergungsteams in einem Katastrophengebiet. Als erste kamen japanische Spezialisten. China hat weitere Angebote aus Südkorea, Singapur, Taiwan und Russland angenommen, Rettungsmannschaften zu schicken. Die Vereinten Nationen boten dem Land ihre Hilfe an. Das Internationale Rote Kreuz in Genf bat die internationale Gemeinschaft um Spenden für die Erdbebenopfer.

Die Regierung in Peking ordnete die Untersuchung der Bauqualität der Schulen an, nachdem Vorwürfe wegen des Einsturzes vieler Schulgebäude laut wurden. Die Trümmer begruben tausende Kinder unter sich. Falls die Gebäude Qualitätsprobleme hatten, sollen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, kündigte das Bildungsministerium an. Allein in der Provinz Sichuan sind 6898 Schulhäuser zerstört worden. Empörte Eltern wiesen darauf hin, dass viele Behördengebäude dem schweren Beben besser standgehalten hätten als die Schulen. Viele Schulen auf dem Land sind chronisch unterfinanziert.