Gesunde Ernährung Ministerin: Gelder für kostenloses Schulessen fehlen
In Ganztagsschulen kann es nicht allein um guten Unterricht gehen. Wenn Kinder dort viel Zeit verbringen, wird automatisch die Forderung nach guter Verpflegung laut - aber wie finanzieren?
Gifhorn - Hoffnungen auf beitragsfreies Essen an niedersächsischen Schulen hat Ernährungsministerin Miriam Staudte auf absehbare Zeit gedämpft. „Unser Ziel kostenloses Mittagsessen ist noch nicht in greifbarer Nähe leider“, sagte die Grünen-Politikerin. Im Moment seien alle politischen Ebenen damit beschäftigt, große Finanzlöcher zu flicken. „Wir kennen ja die Spardebatten vom Bund, und im Land sieht es auch nicht viel besser aus“, sagte die Ministerin mit Blick auf mögliche finanzielle Spielräume.
Dennoch betonte Staudte bei einer Podiumsdiskussion des Verbands deutscher Schul- und Kitacaterer in Gifhorn, dass das Essensangebot in den Mensen angesichts länger werdender Schultage immer wichtiger werde. „Mit Etablierung der Ganztagsschulen gewinnt die Verpflegung in der Schule als Lebens- und Lernort zunehmend an Bedeutung“, sagte sie. „Kinder und Jugendliche benötigen nicht nur regelmäßige Mahlzeiten, das Essen muss auch gesund, abwechslungsreich und natürlich schmackhaft sein“, sagte Staudte.
Ministerin: Bedarfe an anderen Stellen virulent
Die rot-grüne Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, ein kostenloses und qualitativ hochwertiges, nach Möglichkeit regionales Mittagessenangebot in der Schule anzubieten. Mit den Kommunen, die als Schulträger für die Organisation und Preisgestaltung verantwortlich sind, sollte eigentlich über die Umsetzung gesprochen werden. Aber das Vorhaben stockt weiterhin. „Es sind viele Bedarfe an anderer Stelle gerade sehr virulent“, räumte Ministerin Staudte ein.
Dabei stimmte sie mit der Mehrheit auf dem Podium ein, dass auch die Mensen Lernorte sein sollten. Unterricht und Essen dürfe man mit Blick auf Ganztagsschulen nicht trennen. Aus Sicht der Ministerin sollte es Modellschulen geben, in denen etwa durch Kinderküchen der Lebensbezug und die Bedeutung von guter Verpflegung deutlich werden. Mit Beratung und Initiativen versuche das Land, einen Beitrag zu leisten. „Ich glaube, es ist wichtig, dass wir es als Landesregierung ernst nehmen, dass die Kommunen wirklich Unterstützung brauchen“, sagte Staudte.
Eine halbe Million potenzieller Esser
Mit Zahlen aus dem Kultusministerium lässt sich die Bedeutung des Schulessens erahnen. Es gebe zwar keine Daten, über die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die regelmäßig in Kita oder Schule essen. Es könne aber grob gesagt werden, dass es mehr als 500.000 potenzielle Esser an den Schulen des Landes gebe, teilte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage mit. Ein Erlass des Ministeriums fordert zudem, dass in Ganztagsschulen ein warmes Mittagessen angeboten werden muss.
Aus Sicht der Ernährungswissenschaftlerin Ulrike Arens-Azevêdo werden in Deutschland beim Thema Essen in den Einrichtungen Chancen nicht gesehen. Bildung und Verpflegung müssten endlich als Einheit begriffen werden, sagte die ehemalige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Wenn in Verpflegung investiert werden würde, ergäben sich daraus sich eine Fülle von Vorteilen. Studien belegen Arens-Azevêdo zufolge, dass Krankheiten vermieden werden, Kinder aufmerksamer und motivierter sind und ihre Karrierechancen steigen. Das sei etwa in Skandinavien sichtbar, wo die Verpflegung über Steuern finanziert werde.
Kritik: Hohe Ansprüche vieler Eltern treiben die Kosten
Als eine Stimme der Kommunen sprach sich Gifhorns Bürgermeister Matthias Nerlich (CDU) eher gegen ein pauschal beitragsfreies Mittagessen aus. Er sieht vielmehr eine Teilung der Kosten als sinnvoll an. Beispielsweise sei er auch kein Freund der Beitragsfreiheit in der Kita gewesen, denn in Gifhorn habe man dieses Geld in die Qualität der Einrichtungen investiert.
Kritik gab es auch aus dem Publikum, also den Caterern, die sich um die Verpflegung kümmern. Es könne nicht sein, dass eine der reichsten Industrienationen der Welt keine vernünftige Verpflegung der Kinder hinbekomme, sagte ein Teilnehmer. Ein Kollege verwies auch auf absurd hohe Ansprüche vieler Eltern, die damit die Kosten treiben. Ein weiterer Teilnehmer warf ein, dass die Prioritäten klar erkennbar seien, wenn etwa Bund und Land mit vielen Millionen Euro eher die Meyer Werft retten, als mit überschaubaren Kosten, in die Verpflegung der Kinder zu investieren.