Meisterköche aus Gotha Meisterköche aus Gotha: Giganten am Grill

Halle (Saale)/MZ - Die Männer in den schwarzen Kochjacken laufen ein wie eine Rockband. Sonnenbrillen, schwarze Hüte, Kisten, Hardcases, große Container. Jeder Handgriff sitzt, mitten auf der Wiese bauen die real BBQ-Brothers in kürzester Zeit ihre High-Tech-Küche auf. Keine ganz gewöhnliche allerdings, denn wie der Name schon sagt, ist die Brutzeltruppe aus Gotha auf Barbecue spezialisiert. „Entscheidender Unterschied zum Grillen“, erklärt Mitgründer Steffen Semmann, „wer grillt, tut das mit etwa 160 Grad, uns dagegen reichen 90 bis 120.“
„Low and flow“, sagen die Amerikaner, die aus dem Röstbrauch der Indios eine Kultküche gemacht haben. Die verhält sich zum normalen deutschen Bratwurstverbrennen wie Haute Cuisine zu Erbsensuppe. Seit fünf Jahren setzen die acht BBQ-Brüder aus Thüringen noch einen drauf. Wo Steffen Semmann, Philipp und Matthias Schmalfeld, Lucas Stengel, Jens-Peter Schneider, Henning Ahrendt und Philipp Machalett am Herd stehen, kommen aus dem Smoker nicht einfach gebratene Fleischstücke, sondern Köstlichkeiten, die der mit Steak und Röster sozialisierte Grillfan nicht hinunterbekommt, ohne sie Bissen für Bissen mit lautem „Ahhhh“ und „Ohh“ zu bestaunen.
Speisekarte liest sich wie ein Gedicht
Schon die Speisekarte der Bratbrüder liest sich wie ein Gedicht. Zwischen Schweine-Wrap mit karamellisierten Balsamico-Zwiebeln, Schweinelachs mit Erdbeerdip und karibischem Huhn mit Banane-Mango-Chili verliert sich jede Spur zum rustikalen Brauch des Einfach-mal-draußen-was-aufs-Feuer-schmeißen. Hier wird hohe Kunst am Grill zelebriert, die Men in Black am Brenner werfen nicht nur Wurst, Fleisch und Käse auf den Rost, bis es qualmt, sondern sie kochen nach ausgeklügelten Rezepten für Grillfeinschmecker.
Dabei waren Semmann und seine Kollegen ursprünglich selbst Hobbybrater. „Ich habe zwar Koch gelernt“, erzählt der 31-jährige Ober-Brother, „aber nach einem Betriebswirtschafts-studium habe ich dann eigentlich mehr als Unternehmensberater in der Gastronomie gearbeitet.“ Erst als Steffen Semmann zufällig mitbekommt, dass die BBQ-Weltmeisterschaft in seiner Heimatstadt Gotha Station machen wird, juckt es wieder ein bisschen. Semmann schaut sich das Spektakel an. Und ist auf einmal heiß darauf, beim nächsten Mal selbst mitzumachen. „Ich habe dann ein paar Leute gefragt, ob sie nicht Lust hätten, ein Team zu bilden, damit wir bei der nächsten WM antreten können.“
Wer zum Kern des Grill-Teams gehört, erfahren Sie auf Seite 2.
Hatten sie. Zum Kern gehören Köche und Küchenchefs, ein BBQ-Bruder ist Rechtsanwalt, einer Goldschmiedemeister, einer hat Betriebswirtschaft studiert. Sie alle sind zwischen 25 und 50 Jahre alt und Männer, die bis dahin nur privat oder im Freundeskreis gegrillt und gegart haben, dabei aber immer schon einig waren, dass das „typisch verkochte Geschnetzelte aus der großen Eisenpfanne“ (Semmann) ihnen nicht auf den Teller kommt.
Abläufe und Routinen müssen sich einspielen
Nach Gründung der BBQ-Brothers fangen sie an, für das Kräftemessen mit der Weltspitze der BBQ-Elite zu trainieren. Angeschafft werden müssen Smoker, Water smoker, Holzkohlegrills, Keramikgrills und Räucheröfen. Ausprobiert werden müssen Rezepte und Speisefolgen. Einspielen müssen sich Abläufe und Routinen. „Ziel war natürlich, das Ding zu gewinnen“, beschreibt Steffen Semman den Anspruch an den Start bei dem Wettbewerb. Es ist dann anders gekommen. Bei der Grillmeisterschaft, die jährlich von der German Barbecue Association ausgerichtet wird, reicht es nur zum 10. Platz im Gesamtklassement. Aber Platz 2 bei den Vorspeisen macht die Gothaer trotzdem noch zu Vizeweltmeistern.
Die Enttäuschung bei den Newcomern hält sich denn auch in Grenzen. „Andere Teams hatten einfach mehr Erfahrung darin, was so eine Jury begeistert“, glaubt Steffen Semmann. Ihm und seinen BBQ-Brüdern gehe es vordergründig immer um „perfekt gegartes Fleisch und einfach geilen Geschmack“. Während die Juroren es gern sähen, „wenn man das Grillgut mit einem Petersilienrasen bedeckt, bis man am Ende fünf Kilo Petersilie verbraten hat.“ Die Vizemeister Vorspeise sind im BBQ-Alltag nicht zu Kompromissen bereit. „Wir haben keine Vorbilder und wir wollen auch keine haben“, beschreibt Chef-Bruder Semmann, der vier Jahre nach dem Start stolz ist auf den mittlerweile entstandenen unverwechselbaren BBQ-Brothers-Style. „Wir machen auch die Beef-Klassiker“, sagt er, „aber hauptsächlich bieten wir Sachen an, die niemand sonst hat.“ Gehacktes mit Banane und Chili, Donut-Burger mit Hüfte rosa und Erdbeersoße oder Apfel-Schwarzbier-Bratwurst - viele Rezepte entspringen einer spontanen Idee und werden live gekocht und probiert. „Man hat einfach ein Bauchgefühl, man guckt, was haben wir da, und dann geht es los.“
Warum das BBG weltweit so erfolgreich ist, lesen Sie auf Seite 3.
Das ist für Steffen Semmann überhaupt das Geheimnis, das BBQ weltweit so erfolgreich hat werden lassen. Zwar sind die Smoker, Grills und Öfen, mit denen die Truppe heutzutage auf Tour ist, zum Teil individuell für die Brothers gefertigte High-Tech-Meisterwerke, deren Anschaffung so viel kostet wie manch komplette Einbauküche. Aber das Grundgefühl beim BBQ ist trotzdem dasselbe geblieben. „Wir sind draußen, wir sind frei, alles ist möglich.“ BBQ sei die höchste Annäherung an etwas Urtümliches, die heute noch möglich sei, glaubt Semmann. „Männer haben schon vor zehntausend Jahren unter freiem Himmel vor Holzkohle gehockt und zugeschaut, wie das Essen brutzelte.“
Die Faszination der Open-Air-Küche trifft sich zudem heute mit dem Trend zum Genießen. „Frische Produkte, perfekt abgelagertes Fleisch, gute Gewürze“, nennt Semmann als Geheimnis eines gelungenen BBQ. „Mit marinierten Steaks aus der Kühltruhe geht nichts.“
Kunden von München bis Zingst
Erst recht nicht für die Firma, zu der das Freizeit-Projekt der einstigen Feierabend-Griller inzwischen geworden ist. Die real BBQ-Brothers garen für Kunden von München bis Zingst, sie bebraten Firmenfeste, Hochzeiten, Geburtstage, Stadtfeste und Gartenpartys, bringen mal Auftritte mit vollem Besteck inklusive Induktionswok und Kalträuchergerät plus mobiler Burger-Fabrik über die Bühne, mal sind die Gastspiele intimerer Natur für kleinere Kreise. Steffen Semmann sieht den Bedarf für seine Spezialisten weiter wachsen: „Wer es kann, kann auch auch ein Butterbrötchen auf dem Grill veredeln - das spricht sich rum.“
Ebenso wie der Umstand, dass die BBQ-Brothers keinem Abenteuer aus dem Wege gehen. Neulich erst hat ein Kunde aus Weißandt-Gölzau sie samt ihres High-Tech-Equipments per Kran auf seine Dachterasse gehievt, um sich und seine Gäste bekochen zu lassen. Am Sonnabend bauen die Männer in Schwarz, Sonnenbrille, dunkler Hut, ihre Grill-Landschaft bei der Deutschen Meisterschaft in Schweinfurt auf. Mit klarer Zielvorgabe: „Wir wollen tolle Gerichte anbieten und Spaß haben, dann kommt der Titel irgendwann von selbst.“
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