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Medizin Medizin: Juckende Augen und rote Pusteln

Von Aliki Nassoufis 10.08.2006, 06:50
Eine Ärztin trägt in der Hautklinik am Nürnberger Klinikum Substanzen auf die Haut einer Patientin auf. (Foto: dpa)
Eine Ärztin trägt in der Hautklinik am Nürnberger Klinikum Substanzen auf die Haut einer Patientin auf. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Allein in Deutschland leiden rund 20 Prozent derMenschen an Allergien. Viele haben Heuschnupfen, andere wiederumvertragen bestimmte Nahrungsmittel oder Tierhaare nicht. Dabei sindAllergien keine moderne Erscheinung der vergangenen Jahrzehnte. Schonvor 100 Jahren prägte ein Wiener Arzt das Wort «Allergie» alsmedizinischen Fachbegriff. Aus diesem Anlass wird kommenden Dienstag(15. August) im Medizinhistorischen Museum Berlin eine Ausstellungzum Thema «100 Jahre Allergien in Deutschland» eröffnet.

Die Entdeckung der Krankheit war wie so oft in der Geschichte derMedizin ein Zufall: Der junge Kinderarzt Clemens von Pirquet (1874-1929) beobachtete bereits in seinen ersten Berufsjahren, dass seinekleinen Patienten auf Impfungen unterschiedlich reagierten, wie derAllergologe Karl-Christian Bergmann vom Allergie-Centrum-Charité undMitorganisator der Allergie-Ausstellung berichtet. «Während dieInjektion bei den meisten Kindern die gewünschte Genesung vorantrieb,löste sie bei anderen schwerste Nebenwirkungen aus, die teilweisesogar zum Tod führten.»

Pirquet bemerkte außerdem, dass der Körper bei einer zweitenImpfung schneller und mitunter heftiger reagierte. Der Medizinerschlussfolgerte: Ein wiederholter Kontakt mit dem gleichen Stoffführt zur Reaktion mit dem bereits gebildeten Gegenstoff. «Damithatte Pirquet den Wirkungskreislauf von Allergien entdeckt, der sichnoch heute in den medizinischen Lehrbüchern findet», sagt Bergmann.

Bei einer Allergie stuft das Immunsystem eigentlich ungefährlicheSubstanzen als gefährlich ein. Dadurch werden gegen bestimmte Stoffe(Allergene) körpereigene Waffen (Antikörper) gebildet. Die Folge: Diebetroffenen Zellen schütten das Hormon Histamin aus, das imumliegenden Gewebe allergische Reaktionen verursacht.

Diese Überreaktion beschrieb der gebürtige Wiener Pirquet 1906 inder «Münchener Medizinischen Wochenzeitschrift» erstmals als«Allergie». «Allos» heißt auf Griechisch «anders» oder «fremd» - eineAllergie ist folglich eine veränderte Reaktionsfähigkeit des Körpers.

Seit der Entdeckung der Krankheit durch Pirquet hat sich einigesgetan. In den Regalen der Apotheken stapeln sich heute dieentsprechenden Medikamente, entsprechende Tests können zahlreicheAllergien voneinander unterscheiden und mit Hilfe einer so genanntenHyposensibilisierung gewöhnt sich der Körper schrittweise an einbestimmtes Allergen wie Insektengift. So können die Beschwerdenzumindest bei den meisten Patienten reduziert werden.

«Allerdings werden Allergien heute noch häufig zu wenig beachtetund bagatellisiert», sagt Bergmann. Nach Schätzungen der DeutschenGesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie werden nur 10Prozent der betroffenen Patienten mit Atemwegsallergien korrekttherapiert. Die Folge: Allergien wie der Heuschnupfen verschlimmernsich mit der Zeit und führen zu chronischen Erkrankungen.

Nach Angaben der Europäischen Stiftung für Allergieforschung ECARFnehmen Allergien in allen industrialisierten Ländern dramatisch zu.Einige Experten sprechen sogar von einer Epidemie. Damit nicht genug:Die ECARF geht davon aus, dass im Jahr 2010 jeder Zweite an einerAllergie leiden wird. Wenn man jedoch bedenkt, dass Allergien auchdie Leistungsfähigkeit der Betroffenen mindern und die Anzahl derKrankmeldungen in die Höhe treiben, hätte so eine Entwicklung auchvolkswirtschaftliche Folgen. Immerhin rechnen Experten schon jetztallein in der EU mit Kosten in Höhe von 25 Milliarden Euro pro Jahr.