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Fernsehen ARD-Kehrtwende: Thilo Mischke wird nicht „ttt“-Moderator

Der Druck wurde immer größer: Nach Kritik von Kulturschaffenden an Thilo Mischke darf er nun doch nicht die ARD-Kultursendung „ttt“ moderieren.

Von Anna Ringle, dpa 04.01.2025, 12:12
Thilo Mischke wird doch nicht „ttt“-Moderator. (Archivbild)
Thilo Mischke wird doch nicht „ttt“-Moderator. (Archivbild) Max Patzig/Geisler-Fotopress/dpa

Berlin - Thilo Mischke wird doch nicht Moderator des ARD-Kulturmagazins „ttt - titel, thesen, temperamente“. Der öffentlich-rechtliche Rundfunkverbund ARD teilte mit, die in den vergangenen Tagen entstandene „heftige Diskussion um die Personalie Thilo Mischke überschattet die für uns zentralen und relevanten Themen, die wir mit der Sendung und Marke "ttt" transportieren und gemeinsam mit der Community diskutieren möchten so, dass dies nicht mehr möglich ist“.

Zuletzt hatte sich Kritik an dem Journalisten wegen dessen früherer Autorentätigkeit gemehrt. Der Unmut dreht sich um die Vergangenheit des Journalisten und Autoren. Im Gespräch war etwa sein Buch „In 80 Frauen um die Welt“ aus dem Jahr 2010. Mischke reiste wegen einer Wette, 80 Frauen zu verführen, um die Welt. Daraus entstand das Buch.

Wie lief der Fall ab?

Vor Weihnachten hatte die ARD bekanntgemacht, dass Mischke ab Mitte Februar mit Siham El-Maimouni die Moderation der Sendung übernimmt, die traditionell sonntags am späten Abend im Ersten ausgestrahlt wird. „ttt“ zählt zu den bekanntesten Kultur-Formaten der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD). Die Sendung gibt es seit 1967. Im vergangenen Jahr schalteten durchschnittlich rund 850 000 Zuschauer (Marktanteil 7,4 Prozent) ein. Zudem starte Mischke einen Kultur-Podcast mit der Autorin Jule Lobo, hatte es von der ARD geheißen. Was aus dem Podcast nun wird, ist unklar.

Der Journalist und Autor hatte seinen neuen Job für das öffentlich-rechtliche Fernsehen auf Instagram bekanntgemacht - und sich seither nicht mehr zu dem Fall und der Kritik geäußert. Im Netz war unterdessen der Unmut lauter geworden. Zuletzt kursierte ein offener Brief von Kulturschaffenden, die ihre Zusammenarbeit mit Mischke verweigerten.

ARD: „Rufschaden abwenden“

Von der ARD hieß es: „Thilo Mischke und die ARD sind sich einig darin, dass es nun vor allem darum geht, einen weiteren Rufschaden von "ttt" und Thilo Mischke abzuwenden.“ Mischke befinde sich in einem noch andauernden Prozess der Auseinandersetzung mit den Ereignissen und werde sich zu gegebener Zeit selbst zur Sache äußern. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat bei Mischke eine Stellungnahme angefragt, zunächst aber keine Antwort bekommen.

ARD-Programmdirektorin Christine Strobl sagte der dpa, El-Maimouni sei und bleibe die Hauptmoderatorin und werde 2025 die Sendung überwiegend moderieren. Die ARD-Managerin sieht zugleich die aktuelle Diskussionskultur kritisch: „Ich habe in den letzten Tagen schon das Gefühl gehabt, dass wir in einer sehr aufgeregten, sehr dynamisierten Form diskutiert haben. Ich wünsche mir, dass wir wieder zu einer Form zurückkommen, die nicht eine Debatte unmöglich macht.“

Strobl, die nach eigenen Angaben nicht in den Entscheidungsprozess integriert war, ergänzte: „Die Entscheidung der Kulturchefinnen und -chefs beruht auf der Erkenntnis, dass eine Diskussion nicht mehr möglich ist. Und das finde ich einen problematischen Zustand, und das treibt mich sehr um.“

ARD hielt zunächst an Mischke fest

Die ARD hatte zunächst an der Personalie Mischke trotz Kritik festgehalten und vor kurzem noch betont: „"ttt" stellt sich gegen jede Form von Sexismus und Rassismus und steht, genauso wie Thilo Mischke, für Meinungsvielfalt und Toleranz.“ Seit der Buchveröffentlichung im Jahr 2010 habe er sich „intensiv und selbstkritisch mit den Vorwürfen, darin ein sexistisches Frauenbild vermittelt und stellenweise rassistische Sprache benutzt zu haben, auseinandergesetzt“. 

Die Unterzeichner des offenen Briefs hingegen werfen Mischke auch vor, sich nicht kritisch mit seinem früheren Werk auseinandergesetzt und sich nicht ausreichend distanziert zu haben.

Auf dem Instagram-Profil von „ttt“ war an Heiligabend zu lesen, dass man nicht nur Unterstützung, sondern auch kritische Rückmeldungen erhalten habe. „Eines vorweg: Wir hören euch.“ Man bat um Zeit, um das Thema aufzuarbeiten. Am Samstag wurde auf dem Instagram-Profil dann das ARD-Statement zur Abkehr von Mischke gepostet.

Der Auswahlprozess für die „ttt“-Moderation dauerte seit März 2024, wie ARD-Managerin Strobl sagte. Auf die Frage, ob die ARD nun „umgefallen“ sei, antwortete sie: „Das ist kein Umfallen, sondern ein Erkennen, dass die für uns relevanten Kultur-Themen durch eine Diskussion um die Personalie überlagert werden.“ Aus dem ARD-Statement ging nicht eindeutig hervor, ob man eine Zusammenarbeit mit Mischke nur für „ttt“ oder gleich für die gesamte ARD ausschließt.

Hochkarätige Auszeichnungen in den vergangenen Jahren

Mischke ist seit Jahren vor allem durch Reportagen für den privaten Fernsehsender ProSieben bekannt. Er gewann 2023 den Deutschen Fernsehpreis für seine ProSieben-Reportage „Verlassen und vergessen? Afghanistan im Griff der Taliban“. 

Vor der vergangenen Bundestagswahl interviewte Mischke im April 2021 für ProSieben die damals erst frisch gekürte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (Grüne). 2020 gewann er den Bayerischen Fernsehpreis für seine ProSieben-Reportage „Deutsche an der ISIS-Front“ über Menschen, die für die Terrormiliz Islamischer Staat in den Krieg ziehen.

Rückhalt von ProSieben: „wilde Jagd“

ProSieben stellte sich in dieser Woche hinter Mischke. Im Netz postete der Sender am Donnerstag auf der Plattform X: „Was für eine wilde Jagd auf @ThiloMischke. Wir schätzen ihn, weil er seit Jahren unfassbar wichtige und gute Reportagen macht, für die er vielfach ausgezeichnet wurde. Ihn nur an einem Buch aus der Damals-Zeit zu messen, ist ein sehr sehr selbstgerechter Ansatz, der viel über diejenigen aussagt, die genau das machen.“

Zudem teilte Sendersprecher Christoph Körfer der dpa am Donnerstag mit: „ProSieben arbeitet seit Jahren vertrauensvoll mit Thilo Mischke zusammen.“ Man freue sich „auf besondere Thilo-Mischke-Reportagen in 2025 und den Jahren danach auf ProSieben“.