Loveparade Duisburg Loveparade Duisburg: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung

Duisburg/dpa. - Die wütenden Vorwürfe gegen die Verantwortlichender verhängnisvollen Loveparade in Duisburg werden immer lauter. DieErmittler lieferten nach der Katastrophe mit mittlerweile 20 Todesopfern am Montagzwar noch keine Erklärungen. Doch es verdichteten sich Hinweise, dassWarnungen missachtet und behördliche Vorschriften bewusst aufgeweichtworden sind. Bei der Party wurden nach neuen Angaben insgesamt 511Menschen zum Teil schwer verletzt. Duisburgs OberbürgermeisterAdolf Sauerland (CDU) lehnt einen Rücktritt weiterhin ab. Er könne dieseForderung nachvollziehen, teilte das Stadtoberhaupt am Montag ineiner persönlichen Stellungnahme mit.
Einer der Schwerverletzten aus dem tödlichen Gedränge bei einerUnterführung vor dem Partygelände schwebte am Montag noch inLebensgefahr, teilte die Polizei mit. Von den insgesamt 511 Menschenmussten 283 in Krankenhäusern behandelt werden. 42 von ihnen lagen amMontag noch in Kliniken.
Die Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung stünden noch am Anfang,sagte Staatsanwalt Rolf Haverkamp in Duisburg der dpa. «Es haben sichjede Menge Zeugen gemeldet, die werden auch alle vernommen.» ZurFrage, ob die 20 Todesopfer obduziert werden, wollte er sich nichtäußern.
Um Befangenheit bei den Ermittlungen zu vermeiden, wird dieDuisburger Polizei «die Ermittlungen an eine andere Polizeibehördeabgeben», kündigte ein Sprecher des nordrhein-westfälischenInnenministeriums am Montag in Düsseldorf an.
An der Spitze der Kritik am Sicherheitskonzept der Techno-Paradesteht die Deutsche Polizeigewerkschaft. «Ich habe vor einem JahrDuisburg als ungeeignet für die Loveparade abgelehnt und bin dafürals Spaßverderber und Sicherheitsfanatiker beschimpft worden», sagteder Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Rainer Wendt. «Aber dieVerantwortlichen waren besessen von der Idee, etwas für diesegebeutelte Stadt zu tun. Ich bin alles andere als glücklich darüber,nun leider auf diese Weise bestätigt worden zu sein.»
Der NRW-Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus,sagte der dpa, «Polizei und Feuerwehr haben viel Erfahrung mitGroßveranstaltungen. Praktisch nichts davon wurde umgesetzt».
Auch die Trauernden, die vor dem Todestunnel Blumen, Bilder undBriefe niederlegten, finden deutliche Worte für ihre Erschütterung:«Und keiner hat Schuld - jeder Vollidiot hätte es besser gewusst»,hat jemand in akkuraten Druckbuchstaben auf ein Stück Pappe gemalt.
Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland hatte dasSicherheitskonzept der Loveparade verteidigt und das Unglück auf«individuelle Schwächen» zurückgeführt.
Veranstalter anderer Großveranstaltungen reagierten fassungslosauf die Tragödie. Deutschlands führender Konzertveranstalter MarekLieberberg machte seiner Wut Luft und benannte Profilierungssucht undInkompetenz als Ursachen. Das «war keine höhere Gewalt wie einTreppeneinsturz oder ein Unwetter, sondern das Ergebnis einesverhängnisvollen Zusammenwirkens von völlig überforderten Behördenund inkompetenten Organisatoren, die weder mit derartigenGroßveranstaltungen vertraut noch in der Lage waren, aufNotsituationen zu reagieren», teilte Lieberberg mit.
Möglicherweise werden die Fehlleistungen bei der Vorbereitung derLoveparade auch Inhalt einer parlamentarischenUntersuchungskommission. Die Einrichtung eines solchen politischenGremiums hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verlangt. DieBundesregierung zeigte sich offen für Konsequenzen, warnte aber vorvoreiligen Schlüssen.
Unterdessen liefen in Duisburg die Planungen für die Trauerfeier.Zudem wurde ein Kondolenzbuch ausgelegt.
Gegen Oberbürgermeister Sauerland, leitende Beamte der Stadt unddie Veranstalter erstattete der ehemalige Bochumer PolizeipräsidentThomas Wenner (62) unterdessen persönlich Anzeige, wie er der dpabestätigte. Eine solche Veranstaltung hätte in Duisburg nierealisiert werden dürfen. Wenner hatte 2009 als amtierenderPolizeipräsident die für Bochum geplante Loveparade abgesagt.
Sauerland war am Sonntag von Trauernden körperlich angegriffenworden. Er wurde ausgebuht, beschimpft, ein Mann habe ihn mit Müllbeworfen und an der Jacke getroffen, berichtete die «Bild»-Zeitung.«Das waren Menschen, die trauern, die ihren Emotionen freien Laufgelassen haben und das verstehe ich», sagte Sauerland danach.
Ein internes Verwaltungsdokument aus Duisburg belegt nachInformationen von «Spiegel Online» die Schwachstellen desSicherheitskonzepts bei der Großveranstaltung mit insgesamt bis zu1,4 Millionen Besuchern in der Stadt. So habe der Veranstalter nichtdie sonst vorgeschriebene Breite der Fluchtwege einhalten müssen.Zugleich sei das Gelände ausdrücklich nur für 250 000 Menschenzugelassen gewesen.
Die Stadt Gelsenkirchen - ursprünglich als Austragungsort derLoveparade 2011 vorgesehen - begrüßte die Absage der Party durch denVeranstalter Rainer Schaller. «Es ist definitiv richtig, dass dieLoveparade nach der Katastrophe von Duisburg nicht mehr stattfindet.Sie wäre in Zukunft immer von diesem Unglück belastet gewesen», sagteStadt-Sprecher Martin Schulman.
Hotline der Polizei für traumatisierte Teilnehmer: 0201/82 98 091
Hotline für Angehörige von Opfern: 0203/94 000
E-Mail-Adresse: [email protected]

