1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Leidenschaft: Leidenschaft: Blind hinter Lenkrad und Lenker

Leidenschaft Leidenschaft: Blind hinter Lenkrad und Lenker

Von JÖRN PERSKE 23.10.2009, 17:20

Halle/MZ. - Beruhigen kann Birgit Dehren auch nicht, dass ihr Freund sämtliche große Rennstrecken in Deutschland blind kennt. Mackel kann von Geburt an nicht sehen. Er kann nur Hell von Dunkel unterscheiden. Das hindert ihn aber nicht daran, seiner Leidenschaft nachzujagen: Rennen fahren - egal ob mit dem Auto, dem Motorrad oder auf dem Quad.

In Fachkreisen hat sich der 44-Jährige aus dem osthessischen Freiensteinau längst einen Namen gemacht: als einziger blinder Rennfahrer weltweit. Mit Gegnern kann sich der motorsportverrückte Vogelsberger jedoch nicht messen. Er darf nur allein auf abgesperrten Strecken fahren. Das macht er jedoch so schnell und so gut, dass er schon unter anderem im Rahmenprogramm der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) aufgetreten ist.

Mittlerweile hat der japanische Motorradhersteller Kawasaki mit Mackel einen Kooperationsvertrag geschlossen. Er arbeitet als Repräsentant und tritt bei Veranstaltungen auf. Bei einigen Rennställen und Herstellern ist Mackel auch als Tester oder Ratgeber tätig. "Manche Bedienelemente sollte man ja auch blind steuern können", erklärt Mackel, bei dem sich ein enorm gutes Gehör entwickelt hat. "Ich höre bei einem Motor die kleinsten Fehler, da kommt manchmal selbst ein Ingenieur nicht mit", sagt der ehemalige Chef einer Autowerkstatt. "Ich kann in Frequenzbereichen hören, die viele nicht wahrnehmen." Das außergewöhnliche Gehör ermöglicht ihm auch, sich auf der Rennstrecke zurecht zufinden. Der Widerhall, der von Tribünen, Mauern oder Reifenstapeln zurückgeworfen wird, gibt ihm Orientierung. "Das alles kann ich deutlich hören. Ich weiß dann, wo ich bremsen und einlenken muss."

Doch ehe er etwa aufs Motorrad steigt, steht dem gelernten Programmierer viel Kopfarbeit bevor. Zuerst folgt er mit dem Finger einer Skizze des Kurses. Das ergibt ein grobes, gedankliches Bild. Dann fährt er hinter einem erfahrenen und vor allem sehenden Fahrer her und orientiert sich allein an den Geräuschen der voranfahrenden Maschine. Später prägt er sich die Schallinformationen der Strecke links, dann rechts ein. "Am Ende fahre ich mit einer Kamera. Das wird dann ausgewertet." Letztlich dauert es rund zehn Tage, eine neue Strecke kennenzulernen. "Das ist für den Kopf enorm anstrengend, weil man sich wie in einem Film alles Stück für Stück merken muss." Wenn ein Reifenstapel über Nacht umgesetzt wird, merkt Ralf Mackel das sofort.