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Lebensmittel Lebensmittel: Prozess um ersten Fleischskandal hat begonnen

26.09.2006, 06:54
Rolf-Hermann Keck, ehemaliger Geschäftsführer der Deggendorfer «Frost GmbH» , winkt am Dienstag (26. Deptember) im Gerichtssaal des Landgerichtes Memmingen zu den Zuschauern. (Foto: dpa)
Rolf-Hermann Keck, ehemaliger Geschäftsführer der Deggendorfer «Frost GmbH» , winkt am Dienstag (26. Deptember) im Gerichtssaal des Landgerichtes Memmingen zu den Zuschauern. (Foto: dpa) dpa

Memmingen/dpa. - In dem Strafprozess wird dem ehemaligen Geschäftsführer derinzwischen insolventen Deggendorfer Frost GmbH vorgeworfen, er habeSchlachtabfälle importiert und als Lebensmittel weiterverkauft.Vertreter der belieferten Firmen sagten vor Gericht, sie hätten nichtgewusst, dass die Schweineschwarten für die Nahrungsmittelproduktionungeeignet waren. Eine italienische Firma kündigteSchadenersatzforderungen an.

Unterdessen wird auch ein Wursthersteller aus dem Landkreis Vechtain Niedersachsen verdächtigt, mit Schlachtabfällen gehandelt zuhaben. Nach dem jüngsten Skandal um Gammelfleisch in Bayern hat dieFleischzentrale im niederbayerischen Metten Insolvenzantrag gestellt.

In dem Memminger Strafprozess wirft der Staatsanwalt demAngeklagten vor, er habe gewusst, dass die belieferten Firmen ausSchweineschwarten und Geflügelteilen Nahrungsmittel produzierenwollten. Der einschlägig vorbestrafte 40-Jährige schwieg vor Gericht.Seine Anwälte wiesen die Vorwürfe in weiten Teilen zurück.

Insgesamt soll die Frost GmbH, Tochter eines IllertissenerFleisch- und Kühlhausbetriebes, rund 1000 Tonnen Fleischabfälle imAusland gekauft und für mehr als 300 000 Euro weiterverkauft haben.Die Anklage legt dem Ex-Geschäftsführer rund 70 Verstöße gegen dasLebensmittelgesetz, das Fleisch- und das Geflügelfleischhygienegesetzzur Last. In 50 Fällen wird ihm dabei auch Betrug vorgeworfen.

Die Ware war laut Anklage als Kategorie III eingestuft, dieentgegen Kategorie I und II nach EU-Recht nicht für dieLebensmittelproduktion verwendet werden darf. «Den Abnehmerngegenüber wurde die vom Angeschuldigten veräußerte Ware bewusstwahrheitswidrig als zum menschlichen Verzehr bestimmt und geeignetbezeichnet», sagte Staatsanwalt Andreas Rossa.

«Wenn wir gewusst hätten, dass das K-III-Material ist, hätten wires zurückgewiesen», sagte der ehemalige Betriebsleiter einerSpeisegelatine-Firma. Die Mitarbeiterin eines italienischen Abnehmerserklärte: «Wir haben festgestellt, ob die Papiere in Ordnung waren -dann haben wird die Ware eingeführt.» Ihr Unternehmen werdeSchadenersatz verlangen. «Es geht um einen Imageverlust, den wirgehabt haben.»

Die Verteidigung argumentiert, die Schweineschwarten stammten vonTieren, die unter veterinärpolizeilicher Aufsicht geschlachtet wordenseien oder deren Körper in zugelassenen Betrieben verarbeitet wurden.«Diese Schwarten sind nach der Gelatine-Verordnung für dieHerstellung von Gelatine zugelassen», erklärten die Anwälte. DerAngeklagte war im Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten beiFleischimporten zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteiltworden. Die ihm nun zur Last gelegten Taten fallen in denBewährungszeitraum.

Das Unternehmen im Landkreis Vechta hat der StaatsanwaltschaftOldenburg zufolge zwischen August 2004 und Juli 2005 Stichfleisch mitordnungsgemäßem Fleisch vermischt. Es sei unverarbeitet nach Russlandund Rumänien weiterverkauft oder zu Wurst verarbeitet worden und inden Handel gelangt. Als Stichfleisch wird Halsfleisch bezeichnet,in das der Schlachter den tödlichen Stich mit einem Messer setzt. Fürden menschlichen Verzehr ist es nicht geeignet, deshalb wird dieStichstelle nach dem Schlachten großzügig entfernt.

Die Staatsanwaltschaft will klären, «wie es in einem solchenüberschaubaren Betrieb möglich war, über 130 Tonnen Stichfleisch zuverarbeiten und in den Lebensmittelhandel zu bringen, obwohlregelmäßige Überprüfungen durch Fleischkontrolleure stattfindenmüssen». Die Behörde ermittelt gegen den Senior- und den Junior-Chefsowie zwei Angestellte des Unternehmens.

Nach Angaben der Anklagebehörde hat der Wursthersteller dieSchlachtabfälle von einem Gelsenkirchener Fleischhändler gekauft,gegen den die Staatsanwaltschaft Essen Anklage erhoben hat. Auf einemder Lieferscheine befand sich der Hinweis «Stichfleisch». Es sei vonfachkundigem Personal leicht zu erkennen, da es Gewebe mit starkenEinblutungen sei, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Der Mettener Fleischproduzent begründete seine Zahlungsunfähigkeitdamit, dass die Staatsanwaltschaft 70 Tonnen Fleisch beschlagnahmthabe. Das Unternehmen könne deshalb über einen Warenbestand im Wertvon mehr als 100 000 Euro nicht mehr verfügen. Derzeit lassen dieBehörden mehr als 400 Proben des sichergestellten Fleischesuntersuchen. Die Ermittler vermuten, dass der 53-Jährige seit Jahrenmit verdorbenem Fleisch gehandelt hat.

Der angeklagte 40-Jährige war Geschäftsführer der mittlerweile insolventen Deggendorfer Frost GmbH und sitzt seit Oktober 2005 in U-Haft. (Foto: dpa)
Der angeklagte 40-Jährige war Geschäftsführer der mittlerweile insolventen Deggendorfer Frost GmbH und sitzt seit Oktober 2005 in U-Haft. (Foto: dpa)
dpa