Lebensmittel Lebensmittel: Insekten für die Haute Cuisine
Toulouse/AFP. - Die berühmte französische Küche kann mit einer neuen kulinarischen Spezialität aufwarten: Pralinen, die mit Heuschrecken oder Mehlwürmern angereichert sind. Zu verdanken ist die Delikatesse, die den Geschmack von cremiger Schokolade mit der nussigen Note von Grillen und Käfern verbindet, dem Jungunternehmer Cédric Auriol. Der "Schöpfer nachhaltiger Lebensmittel" hat eine Mission: Den Europäern die Ekelgefühle vor schmackhaften Insekten austreiben und so eine gesunde und klimafreundliche Alternative zu Rind- und Schweinefleisch etablieren.
Der Franzose, der sein Geld bisher vor allem mit dem Im- und Export von Textilien und Verpackungsmaterial verdient, war auf der Suche nach einer neuen, ökologisch vertretbaren Aktivität. Und die, davon ist der 30-Jährige überzeugt, hat er nun gefunden. Seine vor eineinhalb Jahren gegründete Firma Micronutris am Rande der südfranzösischen Stadt Toulouse züchtet Insekten für den menschlichen Verzehr. "Ein Markt, der explodieren wird", meint Auriol. Zwar essen in Afrika, Asien und Südamerika bereits rund zwei Milliarden Menschen regelmäßig Insekten. Doch bisher habe kein Unternehmen in Europa Krabbeltiere für den menschlichen Verzehr industriell hergestellt - unter Bedingungen, die westlichen Standards entsprechen, sagt Auriol.
In der Lagerhalle von Micronutris, wo sich in großen Behältern Hunderttausende von Heu- und Springschnecken sowie Mehlwürmer tummeln, überwacht der Biologe Jérémy Defrize die Produktion. Wie sein Chef ist auch er überzeugt, dass sich die Gastronomie in Frankreich und anderen westlichen Ländern umstellen muss. "Im Jahre 2050 werden neun bis zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben", gibt er zu bedenken. Die Nachfrage nach tierischem Eiweiß werde sich verdoppeln, die Fläche für den landwirtschaftlichen Anbau aber nicht. Angesichts dieser Entwicklung sei der Verzehr von Insekten eine Lösung. Für die kleinen Tiere spreche zum einen, dass sie zwar arm an Fett, dafür aber reich an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen seien, wirbt der Biologe. Außerdem werde bei ihrer Aufzucht zehn bis hundert Mal weniger Treibhausgas freigesetzt, als in der traditionellen Viehzucht. Im übrigen produziert Micronutris wahre Bio-Insekten: Die Mehlwürmer können sich an Biomehl laben, die Heuschrecken an Bioweizen - bevor sie gekocht werden.
Das Unternehmen hat im Dezember damit begonnen, seine Produkte im Internet zu vermarkten - eine kleine Tüte Mehlwürmer oder Heuschrecken für 12,50 Euro, ein Päckchen Pralinen für 19,50 Euro. Die vergleichsweise hohen Preise begründet Auriol mit den derzeit noch hohen Produktionskosten. Der Franzose meint aber, dass der Preis binnen drei Jahren auf den von herkömmlichem Fleisch reduziert werden kann - falls die Produktion an Fahrt gewinnt.
Micronutris will sich auf die Züchtung von Mehlwürmern und Heuschrecken spezialisieren. Das Päckchen mit den Insekten-Pralinen, die es gemeinsam mit dem Konditor Guy Roux herstellt, soll vor allem dazu dienen, die Marke bekannt zu machen. Das gleiche gilt für einen Energieriegel, der in einigen Monaten auf den Markt kommen soll. Er wird mit Insektenmehl hergestellt und soll zunächst Verbraucher gewinnen, die zum Verzehr ganzer Insekten noch nicht zu bewegen sind.