Minderheitsregierung Landtagspräsident: „Die Rolle des Parlaments wird gestärkt“
Sachsen hat erstmals eine Minderheitsregierung. Das erfordert nach Ansicht von Landtagspräsident Alexander Dierks eine neue politische Kultur im Parlament. Er sieht darin eine Chance.
Dresden - Der sächsische Landtagspräsident Alexander Dierks (37) sieht die Rolle des Parlamentes durch die neue Minderheitsregierung gestärkt. Die Koalitionspartner CDU und SPD haben sich auf einen Konsultationsmechanismus mit den anderen Fraktionen verständigt. „Dadurch wird es eine viel stärkerer Auseinandersetzung um Inhalte geben, als das bisher der Fall war“, sagte Dierks der Deutschen Presse-Agentur.
Präsident fordert faire Debattenkultur
Seine Aufgabe sei es, diesen Prozess mit einer fairen Debattenkultur zu begleiten, betonte der CDU-Politiker, der in seinem Amt als Landtagspräsident neutral agiert. „Der Trend zur Weichzeichnung soll einer klaren Diskussion um die besten Konzepte und Lösungen für das Land weichen.“ Die neue Regierung werde schon frühzeitig Gesetzesentwürfe und Projekte an den Landtag geben. Damit werde die inhaltliche Auseinandersetzung intensiver.
„Auf dem Landtag und jedem einzelnen Parlamentarier ruht eine große Verantwortung. Das Arbeitsvolumen der Fachpolitiker wird zunehmen. Jeder Kollege wird in der Verantwortung stehen, in seinem Fachbereich eigene Konzepte vorzuschlagen, sich eigene inhaltliche Schwerpunkte zu überlegen, für sie zu werben und gleichzeitig die Vorschläge der anderen abzuwägen“, sagte Dierks. Diese Kultur müsse man sich gemeinsam erarbeiten.
Landtagspräsident ist künftig noch stärker als Moderator gefragt
„Das überparteiliche Amt bringt den Landtagspräsidenten noch stärker in die Rolle eines Moderators“, sagte Dierks. Auch im Landtagspräsidium gebe es künftig keine klaren Mehrheiten mehr, was die Diskussionen beleben werde. „Das muss ja nicht schlecht sein.“
Dierks zufolge ist der Landtag ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Situation. „Es gibt durch die Zerrissenheit und Aufgewühltheit in der Gesellschaft keine eindeutigen Mehrheiten mehr. Deshalb muss man sich Mehrheiten von Fall zu Fall erarbeiten. Das stärkt das Gewicht des inhaltlichen Argumentes und das Gewicht des Wortes. Das kann einer parlamentarischen Demokratie - wenn man die Verantwortung gemeinsam wahrnimmt - zu neuer Lebendigkeit verhelfen.“
Dierks war bei der konstituierenden Sitzung des Landtages am 1. Oktober mit 97 von 119 möglichen Stimmen in das Amt gewählt worden. Zuvor hatte er sich in allen Fraktionen vorgestellt. „Es gab einen anständigen Umgangston und eine faire Diskussion. Ich bin ein Freund klarer Worte und einer pointierten Auseinandersetzung. Es muss aber immer fair bleiben. Das ist auch meine künftige Richtschnur.“
Würde und Integrität des Landtages wahren
Als Landtagspräsident werde er auch in Zukunft deutlich Position beziehen, wenn es um die Würde und Integrität des Hauses gehe, sagte Dierks. Das gelte für die Einhaltung der Geschäftsordnung, aber auch mit Blick auf die ungeschriebenen Regeln des Respekts und des Umgangs miteinander. Aus den bisherigen Sitzungen des Landtages habe er den Eindruck, dass die Fraktionen fair miteinander umgehen.
„Politik und Parlamentarismus sind kein Halma. Es darf auch mal anständig zur Sache gehen und einen klaren Schlagabtausch geben“, erklärte der Landtagspräsident. Allerdings dürfe man dabei nie unter die Gürtellinie zielen. „Das sind der Maßstab und die Grundlage der Auseinandersetzung, die wir einhalten. Bislang hat das funktioniert.“
Dierks räumte ein, dass Minderheitsregierungen in Deutschland keine Tradition haben. „Ich habe das ehrliche Bemühen um eine Mehrheitsregierung für richtig empfunden.“ Ein Bündnis der CDU mit der SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht sei aber letztlich an Dingen gescheitert, die mit Sachsen wenig zu tun haben. Dieser Realität müsse man sich nun stellen.
„Jetzt geht es darum, einen Mechanismus zu etablieren, bei dem die Mehrheitsfindung über vorgelagerte Konsultationen erfolgt. Ich halte das für eine kluge Überlegung und eine Chance, eine neue parlamentarische Kultur und ein gemeinsames Verantwortungsbewusstsein für Stabilität in Sachsen zu etablieren“, sagte Dierks. Jeder Parlamentarier sollte diese Verantwortung ehrlichen Herzens annehmen.