Diskrimminierung Land verstärkt Anstrengungen gegen Queerfeindlichkeit
Die Zahl der Angriffe auf queere Menschen ist in Niedersachsen gestiegen. Innenministerin Behrens sieht die Gesellschaft insgesamt gefordert - und hat die Zahl der LSBTIQ-Ansprechpersonen bei der Polizei aufgestockt.
Hannover - Mit konsequenter Strafverfolgung und Präventionsarbeit will die niedersächsische Landesregierung queere Menschen vor Angriffen schützen. „LSBTIQ-Personen sind leider noch immer stärker als andere Bevölkerungsgruppen von gesellschaftlicher Ausgrenzung und im schlimmsten Fall auch von Straftaten betroffen“, sagte Innenministerin Daniela Behrens (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. „Wir sind als Gesellschaft insgesamt gefordert, uns für Freiheit, Gleichberechtigung und Toleranz einzusetzen und einzustehen.“
LSBTIQ steht für Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche und queere Menschen. Als queer bezeichnen sich Nicht-Heterosexuelle sowie Personen, die sich nicht mit gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.
In diesem Jahr sind bereits mehrere queerfeindliche Angriffe in Niedersachsen bekanntgeworden. So soll unter anderem Mitte Juli eine Transfrau von einer Gruppe von sechs Männern in Hannover geschlagen und am Boden getreten worden sein. Sie wurde leicht verletzt.
Straftaten der Hasskriminalität gegen queere Menschen werden als politisch motivierte Kriminalität eingestuft. In Niedersachsen stieg ihre Zahl von 37 im Jahr 2020 auf 60 (2021) und 94 im vergangenen Jahr. 2019 - also vor der Pandemie - waren nur 29 solcher Taten statistisch erfasst. Ein Grund für den Anstieg könnte auch eine wachsende Anzeigebereitschaft sein.
Seit 2020 ist Leon Dietrich hauptamtliche Ansprechperson für LSBTIQ bei der Polizei Niedersachsen. Er leitet unter anderem interne Schulungen und ist extern vernetzt mit der queeren Community.
Neben Dietrich gibt es in allen Polizeidirektionen LSBTIQ-Ansprechpersonen, die diese Funktion neben ihrem Hauptjob - etwa im Streifendienst - erfüllen. Ihre Zahl wurde landesweit von 10 auf 17 aufgestockt. Nach Angaben von Innenministerin Behrens sollen mit ihrer Hilfe Hürden abgebaut werden, damit die Betroffenen auch wirklich alle Straftaten zur Anzeige bringen.
Die Ansprechpersonen sind zum Beispiel beim Christopher Street Day (CSD) präsent. Bei den Veranstaltungen in Aurich, Osnabrück, Hannover und Oldenburg habe der Informationsstand der Polizei einen „tollen Zulauf“ gehabt, berichtete Dietrich. „Die Menschen sind zu uns gekommen und haben sich für den Polizeiberuf interessiert und waren zum Teil überrascht, dass es uns überhaupt gibt.“
Auch beim CSD in Braunschweig am 11. und 12. August werden Ansprechpersonen präsent sein. Sie informieren auch über die Karrierechancen bei der Polizei. Dass sie selbst queer seien, sei oftmals ein Eisbrecher, sagte Dietrich.
Bei der Polizei ist es erst seit dem 1. Januar 2021 möglich, sich offiziell als Trans- oder Interperson zu bewerben. In der queeren Community gibt es historisch bedingt häufig Vorbehalte gegenüber der Polizei. Bis vor knapp 30 Jahren galt Homosexualität in Deutschland unter Umständen als strafbar. Der entsprechende, mehr als 100 Jahre alte Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs wurde erst 1994 offiziell gestrichen.
Häufig werden Hasskriminalität-Straftaten gegen LSBTIQ-Personen von den Betroffenen gar nicht angezeigt. Das Dunkelfeld begangener Straftaten bleibe weiterhin hoch und werde auf bis zu 90 Prozent geschätzt, teilte das Innenministerium in Hannover mit.
Die rot-grüne Landesregierung begann kürzlich - wie im Koalitionsvertrag festgelegt - gemeinsam mit der queeren Community mit der Ausarbeitung eines queeren Aktionsplans. Vorbild ist laut dem federführenden Sozialministerium die „Kampagne für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt* in Niedersachsen“, die bereits seit 2014 existiert. Der Aktionsplan soll unter anderem Beratungs- und Bildungsangebote enthalten. Auch das Themenfeld Gewalt spiele eine Rolle, hieß es.
„Die niedersächsische Gesellschaft ist bunt und vielfältig“, sagte Sozialminister Andreas Philippi (SPD). Die Landesregierung stehe entschieden dafür ein, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, aber auch trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre und queere Menschen als Teil der Gesellschaft verstanden würden und frei, selbstbestimmt und ohne Angst leben könnten.