Kuss-Ausstellung in Berlin Kuss-Ausstellung Von Rodin bis Bob Dylan in Berlin: Von zart und innig bis gefährlich
Berlin - Als Anna Grosskopf zum Eingang des Museums kommt, fällt ihre Wange auf. Oder vielmehr das, was sich darauf befindet: ein Kussmund in Pink.
Die Kunsthistorikerin trägt Lippenabdrücke dieser Art gerade öfter. Und gleich wird auch die Journalistin einen verpasst bekommen. „Erstmal Küsschen“, sagt nämlich Nezaket Ekici zur Begrüßung. Und, knutsch, ist es passiert.
Dabei ist die Künstlerin im hellen Kleid schon einigermaßen geschafft vom vielen Küssen: „Es ist körperlich sehr anstrengend.“ Hier, in dem von Weiß dominierten Raum im Berliner Bröhan-Museum, beküsst sie drei Tage lang alles: Fußboden, Wände, Bett, Lampe, Spiegel... Und manchmal eben auch Besucher, die vorbeikommen.
Liebe kann auch Schmerz bedeuten
Ihre Nase und Kinn sind gerötet vom vielen Liebkosen, für das sie bereits zwölf Lippenstifte aufgebraucht hat. Die in Deutschland lebende gebürtige Türkin verbindet mit ihrer Performance die Botschaft, dass Liebe auch Schmerz bedeuten kann. Und: „Alles, was uns umgibt, ist so selbstverständlich - aber auch nicht. Man muss die Dinge wertschätzen.“
Und wie ließe sich das besser tun als mit einem Kuss? Der alltäglichen wie faszinierenden Geste ist in dem Museum eine ganze Ausstellung gewidmet. Rund 120 Exponate, epochen- und genreübergreifend vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Und nicht nur heile Welt verkündend, wie man annehmen könnte.
Ausstellung „Kuss. Von Rodin bis Bob Dylan“: Kuss ist nicht gleich Kuss
Mal zart und innig, mal erotisch, mal gefährlich. Ob Handkuss, Liebesbekundung oder Trostschmatzer: „Der Kuss ist eines der ältesten kulturellen Rituale. Er kann so viel bedeuten - und auch so wenig“, erklärt Kuratorin Anna Grosskopf. Jeder erinnere sich an seinen ersten Kuss, zugleich wird in der „Bussi-Bussi-Gesellschaft“ inflationär geküsst.
Dabei war und ist der Kuss eine ergiebige Inspiration für Künstler. Und natürlich wird einer der Kunst-Küsse schlechthin auch in der Schau gezeigt: Auguste Rodins „Le baiser“ (Der Kuss) als verkleinertes Abgussmodell.
„Le baiser“: „Der Kuss“ von Auguste Rodin als verkleinertes Abgussmodell.
Die Pariser Öffentlichkeit reagierte 1886 auf die Skulptur der sinnlich umschlungenen Liebenden pikiert. Nur volljährige Männer durften sie betrachten. Zensur - in der Kunst rund um den Kuss immer wieder ein Thema, wie sich zeigt.
Nach Rodins „Kuss“ sollte das besondere Lippen-Bekenntnis erst so richtig zu Ehren kommen. Die Kunst um 1900 sei geradezu besessen vom Kuss gewesen, heißt es in der Ausstellung. Kein Wunder also, dass diese gerade im Bröhan-Museum erdacht wurde, dem „Landesmuseum für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus“. „Das Thema passt sehr gut und soll die Sammlung in die Gegenwart öffnen“, sagt die Kuratorin.
Der Kuss bewegt sich im Spannungsfeld zwischen privat und öffentlich
Aus dem Jahr 2014 stammt ein Video des Künstlers Florian Meisenberg, das die Frage aufwirft: Wie lange wollen/können wir hinschauen, wenn zwei sich küssen? Wobei die Anordnung hier eine spezielle ist: Es zeigt Sequenzen in Zeitlupe, in denen Hunde von ihren Herrchen gebusselt werden. „Die Reaktionen reichen von Belustigung bis Ekel“, erzählt Anna Grosskopf.
Dass sich der Kuss immer im Spannungsfeld zwischen privat und öffentlich bewegt, beweist auch ein Bild des bekannten Fotografen Juergen Teller. Darauf: ein knutschendes Paar aus nächster Nähe. Zu intim zum Hingucken, mögen manche sagen.
Todeskuss und Bruderkuss: Der Kuss ist ein Statement
Derweil fallen andere Küsse in die Kategorie „Todesküsse“. Gerade in der Kunst des Symbolismus seien Vampir und Co. verbreitet gewesen, sagt die Kunsthistorikerin, die noch viele weitere Spielarten der Geste aufdeckt. Da ist der mütterliche Kuss oder der narzisstische. Der Filmkuss.
Oder der Bruderkuss. Dieser wurde bei Erich Honecker und dem damaligen Kreml-Chef Leonid Breschnew zum politischen Symbol. Und ist nun in der Politik-Abteilung der Schau zu sehen. Diese zeigt auch Küsse, die noch heute teils verboten sind: etwa von Menschen gleichen Geschlechts oder unterschiedlicher Hautfarbe. Da ist der Kuss ein Statement.
Allerdings taucht er in der Ausstellung nicht nur in Form der Exponate auf, wie die Kuratorin erzählt: „Hier wird sehr viel geküsst.“
Die Ausstellung „Kuss. Von Rodin bis Bob Dylan“ läuft noch bis zum 3. Oktober. Mehr Informationen hier.