Kunstauktion Kunstauktion: «Garçon à la Pipe» kostet mehr als 104 Millionen Dollar

New York/dpa. - Pablo Picasso ist zum teuersten Künstler der Weltaufgestiegen. Sein Gemälde «Garçon à la Pipe» (Junge mit Pfeife)wurde einem anonymen Bieter am Mittwoch (Ortszeit) in New York vonSotheby's inklusive Aufgeld für mehr als 104 Millionen Dollar (85,7Millionen Euro) zugeschlagen. Das Meisterwerk des Spaniers (1881-1973) aus dessen Rosa Periode nahm als erstes in der Geschichte desinternationalen Kunsthandels die 100-Millionen-Dollar-Hürde.
Manche Experten spekulieren, ob die klassische Moderne nunmehr denImpressionismus als Favoriten des internationalen Kunstmarktesabgelöst haben könnte. «Garçon à la Pipe» überflügelte die bisherigeNummer eins, Vincent van Goghs «Porträt des Dr. Gachet», um 20Millionen Dollar. Mit dem Rekordzuschlag für den «Jungen mit Pfeife»stehen jetzt vier Gemälde Picassos auf der Liste der zehn teuerstenBilder der Welt, van Gogh ist «nur» mit drei Arbeiten vertreten.
Sieben Minuten dauerte das Bietgefecht, bevor der deutscheAuktionator Tobias Meyer, Chef der internationalen Abteilung fürImpressionismus und klassische Moderne bei Sotheby's, endlich denHammer fallen ließ. Der mit mehr als 1000 Kaufinteressenten undNeugierige überfüllte Saal brach in stürmischen Beifall aus.
Das Auktionshaus hatte mit mindestens 70 Millionen Dollargerechnet. Vier Bieter hielten bis zur 75-Millionen-Dollar-Markedurch. Der New Yorker Kunsthändler Larry Gagosian bot 80 Millionen,während er sich über Handy mit einem Kunden verständigte. DenZuschlag bei 93 Millionen - plus Aufgeld - bekam ein Unbekannter, dersich durch den Sotheby's-Vorsitzenden Warren Weitman vertreten ließ.
Wer könnte dahinter stecken? Kenner des Kunstmarktes tippen laut«New York Times» auf sechs Namen: Lily Safra, Witwe desmilliardenreichen Bankiers Edmond Safra; Stephen Cohen, New YorkerBörsenmakler und einer der engagiertesten Käufer der letzten Jahre;Kasinobesitzer Stephen Wynn; das J. Paul Getty Museum in Los Angeles;Finanzier Henry Kravis und Microsoft-Mitbegründer Paul Allen.
Das etwa ein Meter mal 80 Zentimeter große Bild entstand 1905, alsPicasso gerade 24 Jahre alt war. Es zeigt einen verträumtdreinblickenden Jüngling mit einer Pfeife in der Hand vor rosaroter,blumengeschmückter Wand. Das Werk ist laut Sotheby's typisch für denmelancholischen Charme, den viele Arbeiten aus der Rosa Periodeauszeichnen. «Es handelt sich ohne Frage um (...) eines derwichtigsten frühen Werke von Pablo Picasso», erläutert CharlesMoffet, Sotheby's Co-Direktor für Moderne Kunst.
«Picasso hat immer Höchstpreise erzielt, das Ergebnis kann denKenner nicht verwundern», sagte Peter Raue, Vorsitzender der Freundeder Neuen Nationalgalerie in Berlin, Initiator der MoMA-Ausstellungin der Hauptstadt und selber Kunstauktionator. Picasso-Biograf JohnRichardson findet das Gemälde zwar «sehr schön, sehr angenehm, sehrpoetisch und lyrisch», aber es gehöre nicht zu seinen 20 Picasso-Favoriten.
Nach Meinung des Picasso-Spezialisten Werner Spies kann nicht voneinem Sieg der klassischen Moderne gesprochen werden. «Picasso kannjederzeit von einem anderen Werk übertroffen werden», sagte der 67-jährige deutsche Kunsthistoriker und ehemalige Direktor des MuséeNational d'Art Moderne im Pariser Centre Pompidou (1997-2000). Der«Junge mit Pfeife» sei «einerseits ein modernes Bild eines großenAvantgardisten». Gleichzeitig habe es «alle malerischen undpsychologischen Qualitäten eines Werkes aus dem 19. Jahrhundert».Dennoch findet es Spies seltsam, dass gerade dieses Werk denRekordpreis erzielte: «Das ist ein Bild, das letztendlich populärerist als die anderen. Es ist ein Picasso ohne ein Picasso zu sein.»
«Garçon à la Pipe» ist ein herausragendes Beispiel dafür, welcheWertsteigerungen Kunstwerke erzielen können. Es war 1950 von deminzwischen gestorbenen New Yorker Kunstliebhaber John Hay Whitney undseiner Frau Betsey für nur 30 000 Dollar erworben worden. DieVersteigerung von 34 Werken aus der umfangreichen Whitney-Sammlungbrachte in der Nacht zum Donnerstag insgesamt 189 Millionen Dollarein. Der Erlös geht an die von Betsey Whitney gegründete Greentree-Stiftung zur Förderung internationaler Beziehungen.
Picassos Enkel Olivier bezeichnete den hohen Preis für dasKunstwerk seines Großvaters als ein Zeichen der Hoffnung, denn fürdas Geld hätten auch jede Menge Waffen oder Grundstücke gekauftwerden können.