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Kulturpflege Kulturpflege: Sorbische Osterbräuche in der Lausitz lebendig

10.04.2006, 08:59
Auf dem 11. Sorbischen Ostereiermarkt im sächsischen Halbendorf nahe der Landesgrenze zu Brandenburg umarmen am Sonntag (09.04.2006) Jule und Debbie in sorbischer Tracht ein riesiges Osterei. (Foto: dpa)
Auf dem 11. Sorbischen Ostereiermarkt im sächsischen Halbendorf nahe der Landesgrenze zu Brandenburg umarmen am Sonntag (09.04.2006) Jule und Debbie in sorbischer Tracht ein riesiges Osterei. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Cottbus/dpa. - Auch dasOstersingen, bei dem früher die ledigen Mädchen aus derSpintestube mit einem Lied auf den Lippen durchs Dorf zogen, wirdnoch in einigen Dörfern gepflegt. Am weitesten verbreitet ist in der Region aber die Tradition des Verzierens von Ostereiern.

Schon viele Tage vor dem Osterfest holen Eltern und Kinder dieEier hervor, um sie mit typischen sorbischen Symbolen zu bemalen.Museumsmitarbeiter geben Kurse für Jung und Alt, um derenFertigkeiten zu verbessern. Eine Attraktion ist die große Ausstellungvon Ostereiern in Drebkau (Spree-Neiße). Jedes Jahrzieht es viele Besucher aus ganz Deutschland in das kleine MuseumSorbische Webstube. Dort sind 2500 kunstvoll verzierte Ostereier aus50 Ländern zu sehen, davon die Hälfte mit sorbischen Motiven. DerVolkskundler Lotar (rpt Lotar) Balke hat sie in vielen Jahrzehntenzusammengetragen und in eine Stiftung eingebracht.

Wenn zu Hause genügend Eier bemalt sind, werden die schönstenStücke oft bei Ostereiermärkten in der Lausitz vorgestellt undausgezeichnet. Zum bekanntesten Markt zieht es alljährlich hunderteMenschen ins sächsische Bautzen, wo auch der Sorben-DachverbandDomowina seinen Sitz hat. Von dort ist die Cottbuser Familie Roßbachgerade mit Preisen für ihre verzierten Eier zurückgekehrt. Dennochruhen sie sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, sondern bearbeiten auchin den letzten Tagen vor Ostern weitere Eier.

Mutter Dagmar und ihre erwachsene Tochter Sylke Roßbach-Schreierstellen die Utensilien für das Handwerk auf den Tisch und beginnenmit der Arbeit. Die 33-jährige Sylke mag die Wachsbossiertechnikbesonders. Auf einem kleinen hölzernen Drehgestell hat sie Löffel miteinem gebogenen Stiel angebracht. Sie enthalten eine Mischungaus gefärbtem Bienen- und Kerzenwachs.

Sylke dreht das Löffelkarussell, bis der Löffel mit dergewünschten Farbe über einer kleinen Spiritusflamme ankommt. Danntaucht sie einen Federkiel mit einem zugeschnittenen Dreieck an derSpitze in das heiße Wachs und tupft ein Muster auf das Ei. «Dreieckestellen Wolfszähne dar und Kreise symbolisieren die Familie oder dieSonne», erläutert sie. Wenn das Muster fertig ist, kann das Ei nochin verschiedenen Farben gebadet werden.

Mutter Dagmar hat sich beim Ostereierverzieren der Kratz- und derÄtztechnik verschrieben. «Diese Techniken sind hier nicht so weitverbreitet, vielleicht weil sie sehr viel Geduld erfordern», mutmaßtdie 59-Jährige. Erst färbt sie die Eier und kratzt dann mit einemscharfen Gegenstand das filigrane Muster heraus, das sie zuvoraufgezeichnet hat. Bei der Ätztechnik malt sie das Muster mit einerSchreibfeder, die in verdünnte Salzsäure getaucht wird, auf dasgefärbte Ei. Anschließend tupft sie die Säure ab, und das Mustertritt deutlich hervor. Die kunstvollen Eier verschenken Mutter undTochter an Freunde und Bekannte.

Um die Traditionspflege kümmert sich in Dissen (Spree-Neiße) auchdas Heimatmuseum. «Die ältesten Darstellungen über verzierteOstereier in dieser Gegend stammen vom Ende des 19. Jahrhunderts»,sagt die Museumsleiterin Babette Zenker. «Früher wurden imSpreewalddorf Burg die Muster mit Speck auf die Eier gemalt und diesedann ins Farbbad getaucht, erst später nahm man Wachs». DieMuseumschefin ist selbst mit Leib und Seele dabei. «Ich kann mich sorichtig tief in diese Tätigkeit versenken, und die macht mich fastsüchtig.»

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KORR-Inland/Brauchtum/Ostern/ Der Neuling trägt ein Myrtenkränzchen ­ Osterreiten in der LausitzVon Anett Böttger, dpa(Mit Bild BRL050 vom 10.4.) =

Bautzen/dpa.Wenn Franz Wiener aus dem sächsischen Radiboram Ostersonntag aufs Pferd steigt, ziert ein Myrtenkränzchen seinenschwarzen Frack. Das frische Grün am Revers verrät, dass der 16 Jahrealte Gymnasiast dann zum ersten Mal als Osterreiter im Sattel sitzt.Zusammen mit 60 bis 70 festlich gekleideten Männern macht er sich vonBautzen aus auf den Weg, um die frohe Botschaft von der AuferstehungJesu Christi übers Land zu tragen.

Franz stammt aus einer sorbischen Familie, wurde katholischerzogen. Die Tradition des Osterreitens ist in dem kleinen slawischenVolk seit Jahrhunderten tief verwurzelt, und der Älteste von vierGeschwistern kennt den einzigartigen Brauch von klein auf. «Vielemeiner Freunde reiten mit», nennt der Zehntklässler einen weiterenGrund, weshalb auch er unbedingt Osterreiter werden wollte.Eigentlich hätte er schon mit 14 Jahren mitreiten können, doch Franzfand keinen erfahrenen Partner, der ihn begleitete. In diesem Jahrwird er nun neben seinem Onkel hoch zu Ross übers Land ziehen.

Von Bautzen nach Radibor führt eine der neun feierlichenProzessionen, die im Dreieck zwischen Bautzen, Hoyerswerda und Kamenzalljährlich am Ostersonntag unterwegs sind. Die katholischen Sorbenin diesem Gebiet pflegen den alten Brauch aus tiefer religiöserÜberzeugung, wie der Bautzener Peter Bjarsch, der über dieAuferstehung von den Toten sagt: «Wir wissen es nicht, aber wirglauben daran.» Für den 61-Jährigen ist Ostern daher ein Fest derFreude.

Der Immobilienwirt, der bei der Stiftung für das sorbische Volkarbeitet, reitet am 16. April das 14. Mal von Bautzen nach Radibor.Bjarsch gehörte zu denen, die den Brauch im kulturellen Zentrum derSorben vor 13 Jahren wieder belebten. Von 1969 an gab es keineProzession mehr von Bautzen aus, blickt Dompfarrer Vito Scapanzurück. Es fehlte schlichtweg an Pferden. Die Kollektivierung derLandwirtschaft in der damaligen DDR machte sich bemerkbar, und auchandere Reiterzüge waren in dieser Zeit kleiner.

Knapp 40 Osterreiter versammelten sich 1993 in Bautzen zur erstenProzession nach jahrelanger Unterbrechung, erinnert sich Bjarsch.Auch seine beiden Söhne ­ heute 35 und 36 Jahre alt ­ sowie seinSchwager sind von Anfang an dabei. Der lange Zug startet seitherimmer auf dem Platz am Reichenturm. Etwa zweieinhalb Stunden brauchendie Männer für die Strecke über Temritz, Kleinseidau und Kleinwelkabis nach Radibor. Die Reiter an der Spitze des Zuges tragen dieKirchenfahnen, das Kreuz und eine Figur des auferstandenen Jesus.

Nahezu ununterbrochen wird unterwegs in sorbischer Sprachegesungen und gebetet. Die Texte hat jeder in einem Büchlein bei sich,doch als erfahrener Osterreiter muss Peter Bjarsch Lieder und Gebetekaum noch ablesen. Auch andere Rituale bestimmen die Zeremonie, etwavor jedem Kreuz am Wegesrand den Zylinder abzunehmen und sich zuverneigen. In Radibor umrunden die Männer drei Mal den Dorfplatz undreiten auf dem Rückweg zum Friedhof.

Die intensive Vorbereitung auf die Prozession beginnt schon einpaar Tage vor Ostern. Der Frack wird bereitgelegt und gesäubert,Geschirr und Zaumzeug müssen geputzt werden. Die Pferde holen Bjarschund einige Mitstreiter aus Byhleguhre im Spreewald. Am Tag vor derProzession treffen die Vierbeiner in Bautzen ein, bekommenvorübergehend Unterschlupf in einem ehemaligen Stall in derInnenstadt. Für den großen Auftritt werden schließlich auch diePferde noch prächtig herausgeputzt. Mit bunt bestickter Schleife amSchweif oder geflochtener Mähne tragen sie am Sonntag die Reiter beiihrer wichtigen Mission. Und wie jedes Jahr werden HunderteSchaulustige die Prozessionen in der Lausitz verfolgen.