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Kulturkampf Kulturkampf: Weihnachtsfiguren aus China empören das Erzgebirge

Von Erik Nebel 29.11.2006, 12:20
In der Firma Kunstgewerbliche Holzwaren Günter Reichel in Pobershau werden am 28.11.2006 von Spielzeugmalerin Karin Schmidt erzgebirgische Lichterengel und Bergmänner gefertigt. (Foto: dpa)
In der Firma Kunstgewerbliche Holzwaren Günter Reichel in Pobershau werden am 28.11.2006 von Spielzeugmalerin Karin Schmidt erzgebirgische Lichterengel und Bergmänner gefertigt. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Seiffen/dpa. - Es ist eigentlich so wie immer: Schwibbögenleuchten hinter Fensterscheiben, Räuchermännchen und Nussknackerbevölkern die Stände der Weihnachtsmärkte, auf den Plätzen drehensich riesige Pyramiden - die Städte und Dörfer des Erzgebirgespräsentieren sich in festlichem Weihnachtsglanz. Doch hinter deridyllischen Fassade kocht die Volksseele. Seit der UnternehmerJohannes Schulte aus dem Emsland mitten in Seiffen, der heimlichenHauptstadt des erzgebirgischen Kunsthandwerks, seine in Chinahergestellten Weihnachtsfiguren zu Billigpreisen verkauft, tobt imdeutschen Weihnachtswunderland ein Kulturkampf.

Die Konkurrenz aus Fernost ist den traditionellen Kunsthandwerkernim Erzgebirge seit Jahren ein Dorn im Auge. «Die Imitate machen unsschwer zu schaffen», sagt der Geschäftsführer des Verbandes derErzgebirgischen Kunsthandwerker, Wolfgang Uhlmann. Immer schnellerlaufe die Plagiatmaschine in China. «Neue Figuren, die wir erst imFrühjahr auf Messen vorgestellt haben, sehen wir jetzt schon alsBilligprodukte aus Fernost wieder in den Supermärkten.» DieErzgebirgler sehen sich im Recht und verweisen darauf, schon mehrerePlagiatsprozesse unter anderem gegen Schulte gewonnen zu haben.

Dass es die deutlich billigeren Produkte jetzt direkt vor dereigenen Haustür der Erzgebirgler gibt, hat das Fass zum Überlaufengebracht. Der Widerstand formiert sich. Bei einerOnline-Unterschriften-Aktion haben sich seit September nach Angabendes Verbandes der Erzgebirgischen Kunsthandwerker mehr als 5000Unterstützer eingetragen.

Nicht immer verläuft der Protest so friedlich. Kurz nach derGeschäftsöffnung im September warfen Unbekannte mit einem Stein dieFrontscheibe von Schultes Autos ein. Der Emsländer gilt im Erzgebirgeals unerwünschte Person. Ursprünglich hatte er sich in Olbernhau, nurwenige Kilometer von Seiffen entfernt niederlassen. «Die Leute dorthaben massiv Druck auf meine Vermieterin ausgeübt», schildert derBetroffene.

Um den Protest in legale Bahnen zu leiten, starten dieErzgebirgler nun eine neue Kampagne. Unter dem Motto «Original stattPlagiat - Deutsche Handwerkskunst» wollen sie ein deutliches Zeichensetzen. Ein plakatives Logo ist bereits entwickelt. Es soll in denGeschäften des Erzgebirges für jeden sichtbar machen, wo es nurProdukte aus der Region gibt. «In Deutschland gibt es das Recht aufGewerbefreiheit, das können wir niemandem verwehren. Also müssen wiruns auf andere Weise wehren», sagt Seiffens Bürgermeister WolfgangSchreiter.

«Wir haben Angst um unsere Existenz», sagt Ringo Müller, der einenFamilienbetrieb in der vierten Generation führt. Wie viele anderesieht er Schulte als Trittbrettfahrer, der den Ruf des Erzgebirgesausnutzen wolle. «Unsere Kampagne soll auch ein Zeichen gegen dieGlobalisierung sein», sagt Müller.

Der niedersächsische Unternehmer selbst kann die Aufregung nichtnachvollziehen. «Einerseits beklagen alle hier die Globalisierung,anderseits exportieren sie kräftig in alle Welt«, sagt JohannesSchulte. «Außerdem sollten die Gewerbetreibenden einsehen, dass sichnicht jeder die teuren Produkte leisten kann.» Schulte plant zudem,in Seiffen eine eigene Produktion aufzubauen und bis zu 20Arbeitsplätze zu schaffen.

Ringo Müller wertet das als weiteren Angriff auf die 400-jährigeKunsthandwerkstradition im Erzgebirge. Seiner Ansicht nach willSchulte die Musterfertigung dazu nutzen, Prototypen abzukupfern,die dann in China in Serie nachgebaut und wieder im Erzgebirge alsangeblich erzgebirgische Produkte verkauft werden sollen.

Schulte zeigt sich derweil kampfbereit: Gegen diePlagiats-Kampagne will er rechtliche Schritte einleiten. Einfriedvolles und besinnliches Weihnachtsfest sieht anders aus.