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Kultfigur Kultfigur: «Habt ihr Kummer oder Sorgen . . . »

Von Tobias D. Höhn 14.10.2002, 14:55
Urte Blankenstein, die legendäre «Frau
Urte Blankenstein, die legendäre «Frau ZB

Leipzig/dpa. - Ein simpler Reim machte Frau Puppendoktor Pille im DDR-Fernsehen zur Kultfigur. "Habt ihr Kummer oder Sorgen, dann schreibt gleich morgen an Frau Puppendoktor Pille mit der großen klugen Brille." Mit diesem Spruch schickte Urte Blankenstein alias Frau Puppendoktor Pille 19 Jahre lang die Kinder in Ostdeutschland ins Bett.

Nach der Wende ist es um die Berliner Schauspielerin mit der markanten Brille, den beiden geflochtenen Zöpfen und der samtigen Stimme ruhig geworden. Die 58-Jährige gastierte nun bei der Leipziger Lachmesse und weckte Kindheitserinnerung.

Zwei Generationen ostdeutscher Kinder sind von 1969 bis zum Mauerfall mit Puppendoktor Pille groß geworden. Einmal pro Woche tauchte sie im Abendgruß des DDR-Fernsehens auf und besuchte den Sandmann - den wackeren Kerl mit Zipfelmütze, Spitzbart und wachen Knopfäuglein. "Der Sandmann war für fast alle Kinder eine lieb gewordene Pflicht vor dem Schlafengehen. Es hat riesigen Spaß gemacht, aus dem Fernsehen heraus Millionen Kinder zu begeistern und zu trösten - in Ost und West", sagt Blankenstein heute. Denn auch in der Bundesrepublik hatten die Kinder Frau Puppendoktor Pille lieb gewonnen.

Zu den Fans zählt auch Comedian und Feuilletonist André Kudernatsch. Der 32-Jährige erhielt in diesem Jahr für seine pfiffige Talkshow "Kudernatschs Kautsch" den mit 2500 Euro dotierten CABINET-Preis in der Sparte Comedy. Auf dem roten Sitzmöbel entlockt der Journalist seit 1998 mit investigativem Geschick und einer satten Portion Humor Prominenten Antworten. Pünktlich zur Lachmesse hatte sich Kudernatsch Frau Puppendoktor Pille eingeladen. "Ich bin begeistert von der Figur und habe als Kind regelmäßig eingeschaltet", meint Kudernatsch.

"Die Sorgen der Kleinen sind doch überall gleich", erzählt Blankenstein. Ein kaputter Teddy, Ärger mit der Kindergartenfreundin oder ein unerfüllter Geburtstagswunsch. Umso überraschender kam 1988 das Aus für die TV-Figur. Seither tingelt sie mit einem Theaterprogramm durch die Lande. Geblieben sind die Erinnerungen an körbeweise Fanzuschriften und die große kluge Brille. Wobei sich auch der Spruch mit der Brille gewandelt hat.

"Einige Eltern haben sich beschwert, dass eine Brille nicht klug sein kann. So wurde aus der klugen eine runde Brille", erklärt Blankenstein. Den Kindern sei dies schnuppe. Egal ist ihnen auch, dass Frau Doktor unter der Zöpfe-Perücke blonde Naturlocken trägt.

33 Jahre sind vergangen, seitdem die Mittzwanzigerin in das Puppendoktor-Kostüm schlüpfte. "Die Kinder haben sich nicht geändert, doch die Umwelt", sagt Blankenstein. Gerade in den von Arbeitslosigkeit geplagten ostdeutschen Regionen unterlasse sie heute die Frage "Na, was arbeitet denn dein Papa?". Stattdessen setzt Puppendoktor Pille auf Mimik, Gestik und ihre Markenzeichen - dem einprägsamen Vierzeiler mit der klugen runden Brille.