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Kriminalität Kriminalität: Urteil gegen Ulrikes Mörder jährt sich

18.11.2002, 10:31
Das Archivbild vom 12.03.2001 zeigt einen Brief "Liebe Ulrike! Wir vergessen Dich nie" mit dem Foto der zwölfjährigen Ulrike an einem Baum in Eberswalde unmittelbar an der blumenbedeckten Fundstelle des Fahrrades der Zwölfjährigen. Die Leiche der sexuell mißbrauchten Ulrike Brandt wurde am 08.03.2001 in Werneuchen gefunden. Vor einem Jahr wurde der Mörder des Mädchens zu lebenlanger Haft verurteilt. Rechtskräftig ist das Urteil gegen den Sozialhilfeempäfnger Stefan Jahn aber noch immer nicht. (Foto: dpa)
Das Archivbild vom 12.03.2001 zeigt einen Brief "Liebe Ulrike! Wir vergessen Dich nie" mit dem Foto der zwölfjährigen Ulrike an einem Baum in Eberswalde unmittelbar an der blumenbedeckten Fundstelle des Fahrrades der Zwölfjährigen. Die Leiche der sexuell mißbrauchten Ulrike Brandt wurde am 08.03.2001 in Werneuchen gefunden. Vor einem Jahr wurde der Mörder des Mädchens zu lebenlanger Haft verurteilt. Rechtskräftig ist das Urteil gegen den Sozialhilfeempäfnger Stefan Jahn aber noch immer nicht. (Foto: dpa) dpa

Frankfurt (Oder)/dpa. - Menschen in ganz Deutschland nahmen Anteil am Schicksal von Ulrike. Das Foto des lachenden Mädchens, auf dem es die Finger zum «Victory»-Zeichen hebt, das verbogene Fahrrad der Zwölfjährigen im Schnee: Immer neue Bilder ließen nicht nur die Eltern bangen und hoffen. Doch das Mädchen aus Ostbrandenburg blieb unauffindbar.

Dann der Schock: Zwei Wochen nach ihrem Verschwinden fand ein Spaziergänger Ulrike tot im Wald. Vor einem Jahr wurde der Mörder des Mädchens zu lebenslanger Haft verurteilt. Rechtskräftig ist das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) gegen den Sozialhilfeempfänger Stefan Jahn aber noch immer nicht.

«Er quälte, demütigte und erniedrigte Ulrike über das sonst übliche Maß hinaus», sagte die Vorsitzende Richterin der 3. Strafkammer, Jutta Hecht, am 20. November 2001 in die gespannte Stille des Gerichtssaals. Die Liste der Straftaten im Urteil ist lang: Mord, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch, Freiheitsberaubung, Diebstahl und Brandstiftung.

Die Richterin, die derzeit den Prozess gegen den Schwerverbrecher Frank Schmökel leitet, stellte eine besondere Schwere der Schuld fest. Damit kann der Peiniger der Schülerin - ein kräftiger Mann mit jungenhaftem Gesicht - nicht damit rechnen, nach 15 Jahren auf Bewährung frei zu kommen.

Sein Opfer, ein Kind mit großen haselnussbraunen Augen, verschwand am 22. Februar 2001 auf dem Weg vom Elternhaus in Eberswalde zum Handball-Training. Die Suche nach dem Kind aus der 45 000 Einwohner zählenden Stadt geriet zum größten Polizei-Einsatz Brandenburgs. 14 Tage und Nächte lang, bei Schnee und Kälte, suchten mehr als 6000 Einsatzkräfte nach der Zwölfjährigen.

Selbst Tornados der Bundeswehr mit Spezialkameras kamen zum Einsatz - vergeblich. Die zuletzt 159 Mann starke Sonderkommission beim Eberswalder Polizeipräsidium ging mehreren tausend Hinweisen nach. Während Polizei und Eltern noch von einer Entführung oder einem Autounfall ausgingen, lag Ulrike schon tagelang tot im Gebüsch: 30 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt, in einem Waldstück bei Werneuchen. Höchstwahrscheinlich wurde sie schon am Tage ihres Verschwindens erwürgt.

Mühevolle Polizei-Kleinarbeit führte die Beamten dann ins nahe Fürstenwalde an der Spree, zu dem 25 Jahre alten Stefan Jahn. Von dem vorbestraften Autodieb gab es Fingerabdrücke, die mit denen am Leichenfundort übereinstimmten. Schließlich überführte ihn eine DNA-Anlyse.

Noch am Abend der Festnahme legte Jahn bei der Polizei ein umfassendes Geständnis ab. Er habe das Kind erdrosselt, damit es ihn nicht verrate. Doch vor Gericht nahm er diese ihn schwer belastende Version der Tat zurück - sie deutete unzweifelhaft auf Mord. Ohne ein äußerliches Anzeichen von Reue sagte er nun, er habe Ulrike versehentlich angefahren, als er zu einer Schnapsflasche auf dem Beifahrersitz griff.

Weil das Mädchen ihn beschimpft habe, habe er sie ins Auto gezerrt. Den Missbrauch will er nicht geplant haben. Erdrosselt habe er das flehende und weinende Kind nur, damit er seine Ruhe habe. Jahn habe Ulrike mit Absicht angefahren, um sie zu missbrauchen, befand die Richterin, die ihm eine hohe kriminelle Energie bescheinigt. Der 25-Jährige sei mit besonderer Brutalität und Erbarmungslosigkeit vorgegangen.

Die Eltern des Mädchens mussten vor Gericht immer wieder auch das kleinste grausame Detail vom Martyrium ihres Kindes hören. Während Ulrikes Mutter oft Blickkontakt zum Mörder ihrer Tochter suchte, starrte dieser stets vor sich auf die Tischplatte. «Ich trau mich nicht, den Eltern in die Augen zu sehen wegen der Tat», schrieb Jahn in einem Brief.

Und in einem Schreiben an einen seiner Anwälte forderte er für sich die Todesstrafe: Er läge am liebsten an Ulrikes Stelle im Grab. In seinem letzten Wort nach den Plädoyers verlas Jahn einen Zettel: «Entschuldige mich bei den Eltern...», sagte er stockend. Die Verteidiger haben gegen das Urteil Revision eingelegt. Aus ihrer Sicht ist es inhaltlich nicht korrekt. Die Akte Stefan Jahn liegt nun beim Bundesgerichtshof.