Kriminalität Kriminalität: Julias Mörder zu lebenslanger Haft verurteilt
Gießen/dpa. - Knapp zwei Jahre nach dem Tod der acht Jahre alten Julia aus dem hessischen Biebertal ist ihr Mörder zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die 5. Strafkammer des Landgerichts Gießen sah beim Urteil am Dienstag «keinen vernünftigen Zweifel» an der Täterschaft des Angeklagten Thorsten V., dem 35 Jahre alten Nachbarn des Mädchens. Er habe das blonde Mädchen am 29. Juni 2001 in seinem Keller mit einem schweren Gegenstand erschlagen, um einen vorher versuchten sexuellen Missbrauch zu verdecken, sagte der Vorsitzende Richter Bruno Demel am 37. Verhandlungstag. Ob das Kind vor seinem Tod tatsächlich missbraucht wurde, sei nicht mehr zu klären gewesen.
Das Schweigen des Angeklagten zu den Tatvorwürfen dürfe nicht gegen ihn verwendet werden, es sei vielmehr ein Grundrecht, erläuterte der Richter. Auch vor dem Prozess habe Thorsten V. niemals ein Geständnis abgelegt. Gleichwohl habe sich für das Gericht wie in einem Puzzle ein Gesamtbild ergeben, das mit der erforderlichen Sicherheit für eine Verurteilung ausreiche. «Einige fehlende Teile hindern uns nicht daran, ein Gesamtbild zu haben.»
Eine besondere Schwere der Schuld erkannte das Gericht nicht, so dass die lebenslange Haftstrafe erstmals nach 15 Jahren überprüft werden kann. Das Publikum im vollbesetzten Gerichtssaal 207 reagierte mit Applaus auf den Schuldspruch wegen Mordes, versuchtem sexuellen Missbrauch und versuchter sexueller Nötigung. Verteidiger Ramazan Schmidt kündigte Revision gegen das Urteil an. Er hatte für seinen Mandanten Freispruch aus Mangel an Beweisen verlangt. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft gefordert.
Julias Vater zeigte sich verbittert über das Schweigen des Verurteilten zu den genauen Todesumständen seiner Tochter: «Diese Ungewissheit treibt uns an den Rand des Wahnsinns.» Thorsten V. habe das perfekte Verbrechen geplant und eine harte Strafe verdient: «Auf Grund seines eiskalten Verhaltens bei der Tat und bei der Spurenvernichtung sollte er für immer weggeschlossen werden.»
Als wichtiges Indiz nannte Richter Demel Genspuren Julias an einem Teppichboden, den der Angeklagte in seinem Keller hatte anzünden wollen. Dabei zog er sich schwere Verbrennungen zu, die ihn vermutlich bis an sein Lebensende schwer behindern werden. Das Gericht hält es für wahrscheinlich, dass sich der Mann selbst verbrennen wollte. Die Verhandlung hatte der schwer gezeichnete Mann halb liegend in einem Spezialrollstuhl verfolgt.
Keinen Zweifel hatten die Richter, dass Thorsten V. die Leiche Julias vier Tage nach der Tat rund 80 Kilometer vom Tatort auf einem Holzstoß verbrennen wollte. Zeugen hatten verhindert, dass die Leiche und weitere wichtige Spuren komplett verbrannten. Sie hatten ein Auto gesehen, das dem des Angeklagten entsprach. Er war zudem kurz nach dem Ausbruch des weithin sichtbaren Feuers von einer Radaranlage in der Nähe des Holzstoßes geblitzt worden. Außerdem wurden Latexhandschuhe mit Genspuren des Verurteilten und andere Gegenstände aus seinem Haus in einer Plastiktüte gefunden.
Thorsten V. sei zum Zeitpunkt des Mordes zwar angetrunken, aber dennoch voll schuldfähig gewesen, sagte Richter Demel. Eine Vielzahl sichergestellter Pornos lasse darauf schließen, dass er «im hohen Maße sexualisiert» sei und sich seine Fantasien insbesondere um Fesselungen drehten. Im Brandschutt des Holzstoßes war auch ein Paar Handschellen gefunden worden, das auf die Größe eines Kinderarms eingestellt war.