Krankenpfleger-Morde Krankenpfleger-Morde: Niels H. hat vermutlich 24 weitere Menschen umgebracht

Delmenhorst - Es scheint, als habe er nicht nur geprahlt. Er sei der „größte Serienmörder der Nachkriegsgeschichte“, hat Krankenpfleger Niels H. Mitgefangenen im Gefängnis erzählt. Das Landgericht Oldenburg hatte den 39-jährigen Mann am 26. Februar 2015 wegen Mordes und Mordversuchs in fünf Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Krankenpfleger hatte Patienten am Delmenhorster Krankenhaus heimlich Herzmittel gespritzt und anschließend versucht, sie wiederzubeleben.
Aus „Langeweile“, so die Staatsanwaltschaft. H. hatte gestanden, zwischen 2003 und 2005 in 90 Fällen das Herzmedikament Gilurytmal gespritzt zu haben. Bis zu 30 Patienten sollen seiner Aussage nach daran gestorben sein. Er will das alles gemacht haben, weil er sich unterfordert fühlte. Deshalb habe er die Notfälle ausgelöst, um sich anschließend beweisen zu können.
Mögliche Opfer werden exhumiert
Während er seine Strafe absitzt, haben Ermittler begonnen, Tote in Nordwestdeutschland zu exhumieren. In 24 von 77 untersuchten Leichnamen, so der Zwischenstand, sind sie nun fündig geworden. In den sterblichen Überresten fanden sie Reste genau jenes Herzmedikaments, das H. seinen Patienten gespritzt hatte, teilte die Oldenburger Staatsanwaltschaft mit. Die toxikologischen Untersuchungen hätten den Wirkstoff Ajmalin des Herzmedikaments Gilurytmal nachgewiesen. „Wir gehen von einem dringenden Tatverdacht der Tötung aus." Proben aus sieben weiteren Exhumierungen würden noch analysiert.
Seit Bekanntwerden der Dimensionen des Falls prüft die Sonderkommission „Kardio" alle Sterbefälle während der Dienstzeit des Krankenpflegers. Sie ging rund 200 Verdachtsfällen an verschiedenen Orten in Nordwestdeutschland nach, wo der Pfleger in den vergangenen Jahren gearbeitet hatte.
Zahl der Toten könnte noch weiter steigen
Ein früherer Oberarzt der Delmenhorster Intensivstation, auf der Niels H. seit Dezember 2002 beschäftigt war, hatte vor dem Oldenburger Gericht einen furchtbaren Verdacht geäußert: „Der Angeklagte hatte bei 55 Prozent aller Verstorbenen auf der internistischen Intensivstation Dienst. Und das ist wohl noch zu niedrig angesetzt. Da komme ich auf geschätzt mindestens 100 Tote."
Vor elf Jahren war Niels H. aufgeflogen: 2005 beobachtete ein Kollege ihn in einem Krankenzimmer, in dem er nichts zu suchen hatte. Außerdem war der automatische Alarm ausgeschaltet, der ausgelöst wird, wenn sich der Zustand des Patienten verschlechtert. Im Spind des Krankenpflegers fand man damals Medikamente und einen Berg Wodkaflaschen. Danach kam alles ins Rollen, drei Jahre später wurde er wegen Mordversuchs verurteilt.
Beängstigende „Unmenschlichkeit"
Das ganze Ausmaß der Verbrechen kam danach in kleinen Portionen ans Licht und führte zu einem weiteren Prozess, der im September 2014 begann und im Februar 2015 mit der Verurteilung als Mörder endete. Die Richter des Oldenburger Landgerichts sprachen von Taten, in denen eine beängstigende „Unmenschlichkeit" zum Ausdruck komme.
Unter Kollegen soll H. beliebt gewesen sein. War Not am Mann, sprang er gerne ein, berichtet ein Mediziner vor Gericht. „Er war ein begeisterter Retter."