Kondomberater im Interview Kondomberater im Interview: "Es geht um die Breite nicht um die Länge"

Mehr als 80 Prozent der Männer hatten schon einmal große Probleme mit einem Kondom, weil es nicht richtig passte. Was Jan Vinzenz Krause schon immer ahnte, wurde bei einer eigens von ihm durchgeführten Umfrage unter 2500 Männern bestätigt: Die meisten von ihnen kaufen sich die falschen Kondome. Heute berät Krause 20.000 Menschen im Monat bei der Wahl des richtigen Gummis.
Herr Krause, Sie sind Kondomberater. Wie wird man das?
Mit 17 Jahren hatte ich so ein Kondomerlebnis. Ich wollte mir mit meiner Freundin im Schlecker Kondome kaufen, hatte aber keine Ahnung, welche ich nehmen sollte. Also habe ich die Verkäuferin gefragt, die mir einfach die Marke empfahl, die die meisten Leute kaufen. Einfach nur furchtbar. Diese Kondome ließen sich schlecht abrollen und waren eng wie eine Presswurst. Sie saßen einfach nicht richtig. Ein Lustkiller. Meinen Freunden ging es ähnlich. Seitdem wollte ich das perfekte Kondom für jeden finden.
Wie sucht man nach dem perfekten Kondom?
Zuerst habe ich in Eigenversuchen und an selbst gebauten Holzmodellen viele Kondome getestet. Dabei hat sich bestätigt: Es gibt einfach zu wenige Größen. Ich fragte mich: Warum eigentlich? Schließlich kann man ja auch Schuhe in verschiedenen Größen kaufen, weil wir alle unterschiedliche Füße haben.
"Männer sind sehr unterschiedlich bestellt"
Wie viele Kondom-Größen gibt es denn?
Die meisten Hersteller haben eine Standardgröße und ein XL-Modell, das etwas größer ist. Es gibt aber mittlerweile sehr viele Statistiken über Penisgrößen, die zeigen, dass Männer da wirklich sehr, sehr unterschiedlich bestellt sind. Trotzdem kann man im Drogeriemarkt nur zwei bis drei verschiedene Größen kaufen, die aber sehr nah beieinander liegen. Apotheken haben auch nur eine leicht größere Auswahl.
Und wie wollten Sie das ändern?
Als Student habe ich ein Praktikum bei einem der größten Kondomhersteller gemacht. Dort habe ich zu den Entscheidern gesagt: Macht doch mal Kondome in verschiedenen Größen! Die sagten aber immer, das brauche man nicht. Kondome seien doch dehnfähig. Also habe ich beschlossen: Dann mache ich das eben selber. Ich habe eine Internetplattform gegründet, um Menschen zu beraten. Mittlerweile bekomme ich um die 20.000 Anfragen pro Monat und viele schreiben mir, dass ihr Sexualleben durch die passenden Kondome viel erfüllter geworden ist.
Penismaßband zum Downloaden
Wie läuft die Beratung ab?
Auf der Internetseite kann man sich ein Penismaßband runterladen, ausmessen und seine Daten eingeben. Dann bekommt man eine Empfehlung für das passende Kondom.
Und Sie haben mehr Größen als die Drogerie oder die Apotheke?
Ja. Ich habe gemeinsam mit einem anderen Unternehmer die Marke MySize entwickelt. Seitdem beglücken wir Europa mit Kondomen in verschiedenen Konfektionsgrößen.
Wie viele Größen haben Sie, um alle Europäer abzudecken?
Insgesamt sieben. Studien zeigen, dass die meisten Männer eine Kondomgröße zwischen 47 und 69 Millimeter Umfang brauchen. Es geht um die Breite, nicht um die Länge. Ich habe eine Penisdatenbank, in der über zwei Millionen Fälle aus allen europäischen Ländern gespeichert sind. Die Durchschnittsgröße ist nämlich je nach Land durchaus unterschiedlich. Franzosen brauchen im Schnitt die größten Kondome, Griechen eher kleinere. Die Deutschen liegen im oberen Mittelfeld.
Sprühkondom gescheitert
Aber ein ganz maßgeschneidertes Kondom gibt es noch nicht?
Ich habe einmal versucht, ein Kondom zum Sprühen aus der Dose zu entwickeln. Darauf bin ich gekommen, als ich diese Sprühpflaster an meinem Finger ausprobiert habe. Da dachte ich: Cool, das müsste doch auch für Kondome gehen. In meiner Garage habe ich an einem Prototypen getüftelt. Im Modell hat das auch funktioniert. Man müsste eine Erektion allerdings um die drei Minuten aufrecht halten, bis das Kondom getrocknet ist. Das ist natürlich ein Problem.
Ist ja auch nicht so toll, mittendrin auf einmal eine Spraydose auszupacken, oder?
Trotzdem war es eine gute Idee. Ich habe aus der ganzen Welt Anfragen von Entwicklern aus der Kondomindustrie bekommen. Letztendlich haben wir aber keine technische Lösung gefunden, um das Sprüh-Kondom marktfähig zu machen. Bei Verhütungsmitteln gibt es sehr hohe Auflagen. Es sind schließlich Medizinprodukte. Und sie müssen vor allem sicher sein.
Sie gehen auch an Unis, um Studenten in Kondomfragen zu beraten. Haben Sie das Gefühl, die gehen heute lockerer mit dem Thema um?
Unsere Gesellschaft ist vor allem in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren sehr viel offener im Umgang mit Sexualität geworden. Das sieht man auch an Kinofilmen wie Shades of Grey oder Sex Tape. In den 60er-Jahren wurden Kondome noch klammheimlich beim Friseur unterm Ladentisch verkauft. Ich zum Beispiel bin nur auf der Welt, weil meine Eltern sich einfach nicht getraut haben, ein Kondom zu kaufen.
Das Interview führte Alice Ahlers.