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Flüchtlingsversorgung Kommunen gehen Migrationsbeschlüsse nicht weit genug

In einem Verhandlungs-Marathon haben Bund und Länder sich auf neue Maßnahmen zur Eindämmung der Migration verständigt. Die Kommunen in Niedersachsen sehen Fortschritte - dringen aber auf weitere Entlastung.

Von dpa Aktualisiert: 07.11.2023, 16:35
Kriegsflüchtlinge stehen auf dem Gelände einer Flüchtlingsunterkunft zusammen.
Kriegsflüchtlinge stehen auf dem Gelände einer Flüchtlingsunterkunft zusammen. Arne Dedert/dpa

Hannover - Die Beschlüsse von Bund und Ländern zur Flüchtlingspolitik und zur Zukunft des Deutschlandtickets stoßen in Niedersachsen auf ein geteiltes Echo. Während Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) den Durchbruch im monatelangen Streit um die Flüchtlingskosten lobte, warf der Flüchtlingsrat der Politik am Dienstag eine Abkehr von der Willkommenskultur vor. Aus den Kommunen kommt zudem der Ruf nach zusätzlichem Geld des Landes für die Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge.

Was Bund und Länder bei der Migration planen

Nach langen Beratungen bis tief in die Nacht haben sich Bund und Länder auf ein neues System zur Finanzierung der Flüchtlingsaufnahme geeinigt. Pro Flüchtling und Jahr will der Bund demnach künftig eine Pauschale von 7500 Euro zur Verfügung stellen. Hinzu kommt 2024 eine Abschlagszahlung von 1,75 Milliarden Euro. Insgesamt entlastet der Bund die Länder und Kommunen nach Angaben von Weil damit im kommenden Jahr um rund 3,5 Milliarden Euro.

Neben der neuen Kostenaufteilung wurde auch ein härterer Kurs in der Flüchtlingspolitik vereinbart. Dazu zählen Einschränkungen bei den Leistungen für Asylbewerber, die Einführung einer Bezahlkarte zur Vermeidung von Barauszahlungen und die Prüfung von Asylverfahren außerhalb Europas. Zudem soll eine neue Migrationskommission geschaffen werden, der auch Kirchen, Gewerkschaften, Wissenschaftler und Flüchtlingsorganisationen angehören.

Kommunen fordern mehr Geld und weitere Maßnahmen

Niedersachsens Städte- und Gemeindebund (NSGB) lobte, der Bund habe nach langem Wegsehen erkannt, „dass die Zuwanderung nach Deutschland gesteuert und auch begrenzt werden muss“, wie NSGB-Präsident Marco Trips sagte. Eine Unterbringung von bundesweit erneut gut 300 000 Menschen im kommenden Jahr werde nicht gelingen. Wichtig seien daher nun unter anderem schnellere Verfahren, eine Begrenzung der Zuwanderung, geringere Anreize und mehr Rückführungen.

Auch der Niedersächsische Städtetag (NST) sieht die Kommunen schon jetzt an ihrem Limit. „Einige Kommunen beginnen bereits wieder mit der Umnutzung von Sporthallen, Jugendfreizeitzentren und Stadthallen. Das Kita- und Schulsystem steht kurz vor dem Zusammenbruch. Sprachkurse fehlen und die Vermittlung von Flüchtlingen in Arbeit ist zu kompliziert“, bemängelte NST-Präsident Frank Klingebiel. Er bezweifelte, dass die finanziellen Zusagen des Bundes ausreichen werden, um die Flüchtlingskosten der Kommunen vollständig abzudecken.

In Hannover beispielsweise reicht das Geld laut Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) absehbar nicht aus. Die Landeshauptstadt müsse pro Flüchtling und Jahr rund 20.000 bis 22.000 Euro bezahlen. „Vom Land bekommen wir bestenfalls die Hälfte davon erstattet“, sagte Onay. Auch mit den 7500 Euro vom Bund bleibe also eine Lücke - daran müsse sich das Land beteiligen, forderte der Oberbürgermeister: „Das muss vom Land mitgetragen werden.“ Die Länder sollten zudem die Bundespauschale à 7500 Euro vollständig an die Kommunen weitergeben.

Flüchtlingsrat kritisiert Vorhaben als „unmenschlich“

Mit scharfer Kritik am härteren Migrationskurs reagierte der niedersächsische Flüchtlingsrat. „Die deutsche Politik hat ihre im Jahr 2015 ausgerufene „Willkommenskultur“ endgültig beerdigt“, teilte der Verein mit. In der Hoffnung, der AfD Stimmen abzujagen, überböten sich die Parteien in einem „Wettbewerb der Abschreckung“. So sei es „unmenschlich und unvernünftig, Geflüchtete absichtlich über Jahre in Armut zu halten und ihnen erst nach 36 statt wie bisher nach 18 Monaten zumindest Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu zahlen“, hieß es.

Oppositionsführer Sebastian Lechner bezeichnete die Beschlüsse dagegen als ersten Schritt in die richtige Richtung, der aber nicht ausreiche. „Wir brauchen zum Beispiel mehr rechtliche Möglichkeiten, auch an der deutschen Staatsgrenze zurückzuweisen“, sagte der CDU-Fraktionschef. Zudem dürfe es bei Asylverfahren in Drittstaaten nicht nur um Flüchtlinge gehen, die dies freiwillig mitmachen.

Deutschlandticket soll zunächst nicht teurer werden

Mit Blick auf das Deutschlandticket für den Nahverkehr sind nach der Bund-Länder-Runde noch einige Fragen offen. Klar sei nun allerdings, dass das Ticket auch im Jahr 2024 weiter angeboten werde, sagte Verkehrsminister Olaf Lies. „Das ist eine ganz wichtige Nachricht an die rund elf Millionen Kundinnen und Kunden, die das Deutschlandticket bisher gewonnen hat“, sagte der SPD-Politiker.

Wer Bus und Bahn mit dem Deutschlandticket nutzt, kann Lies zufolge bis zum Frühjahr auch weiter mit dem Preis von 49 Euro im Monat rechnen. Zumindest im ersten Jahr nach der Einführung, also noch bis Ende April, werde es keine Preiserhöhung geben. „Das ist jetzt vom Tisch“, sagte der Minister. Bund und Länder müssten nun aber mit Hochdruck daran arbeiten, bis Mai ein Konzept zur weiteren Finanzierung des Tickets vorzulegen. Dabei werde man dann „auch über Anpassungs- und Ausgleichsmechanismen beim Preis diskutieren müssen“.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Marcel Scharrelmann nannte es ein „fatales Signal“, dass es noch keine Einigung für die Fortführung des Deutschlandtickets gebe.