Innenminister kritisiert Kölner Silvesternacht: Kritik an wenigen Verurteilungen

Köln - Ein Jahr nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière scharfe Kritik an Ermittlungsbehörden und Justiz geübt. „Es ist völlig unverständlich, dass nach einer so großen Anzahl an sexuellen Übergriffen so wenige Täter verurteilt worden sind. Das empfinde ich als Problem“, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“.
Die Justiz solle „hier in aller Härte urteilen“. Außerdem hätten die Verfahren viel zu lange gedauert, rügte der Minister. „Das führte zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass nur wenige Straftaten hart verfolgt und verurteilt wurden.“
An Silvester hatten mehrheitlich nordafrikanische Männer rund um den Kölner Hauptbahnhof Hunderte Frauen umzingelt, bestohlen und sexuell bedrängt. Es soll auch zu mehreren Vergewaltigungen gekommen sein.
Kölner Silvesternacht: Drei Verurteilungen mit Bezug zu Sexualdelikt
Mehr als 1200 Strafanzeigen gingen ein. In mehr als 500 Fällen handelte es sich den Vorwürfen nach zwar um sexuelle Übergriffe. Auch wurden rund 330 Beschuldigte namentlich ermittelt, gegen sie wurden Verfahren eingeleitet.
Einige stellte man allerdings inzwischen wieder ein, weil kein hinreichender Tatverdacht mehr bestand oder die Verdächtigen nicht auffindbar waren. In rund 30 Fällen kam es zu einer Verurteilung, darunter sind aber viele Urteile noch nicht rechtskräftig. Nur bei drei Verurteilungen gab es einen Bezug zu einem Sexualdelikt.
Aus ihren Fehlern will Kölns Polizei für die kommende Silvesternacht Konsequenzen ziehen: Es werden zehn Mal so viele Beamte eingesetzt wie im vergangenen Jahr. Allein 1500 Beamte der Landespolizei sollen die Feiern absichern. Die Bundespolizei will mit etwa 800 Beamten in Bahnhöfen und Zügen in Nordrhein-Westfalen unterwegs sein. Am Mittwoch (28.12.) stellen die Stadt Köln und die Polizei ihre Vorbereitungen abschließend der Öffentlichkeit vor.
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) verweist vor dem Hintergrund der berüchtigten Silvesternacht am Dom auch auf Folgen für Debattenkultur in Deutschland. „Ein Ergebnis der Silvesternacht ist, dass wir alle realistischer geworden sind. Wir sind heute freier, Dinge anzusprechen“, sagte Reker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Eine offene Diskussion dürfe aber nicht dazu führen, die Gesamtheit der Flüchtlinge dafür verantwortlich zu machen, was ein kleiner Teil begangen habe. (dpa)