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Migration Kirchen gewähren deutlich häufiger Asyl

Für immer mehr Geflüchtete ist das Kirchenasyl eine letzte Hoffnung: Mehr als 200 Menschen boten die Kirchen in Niedersachsen zuletzt Schutz. Doch der Staat erkennt Härtefälle kaum mehr an.

Von dpa 25.01.2025, 06:00
Auch Gemeindehäuser werden vom Staat als geschützte kirchliche Räume beim Kirchenasyl respektiert. (Symbolbild)
Auch Gemeindehäuser werden vom Staat als geschützte kirchliche Räume beim Kirchenasyl respektiert. (Symbolbild) Swen Pförtner/dpa

Hannover - Immer häufiger suchen Menschen Schutz im Kirchenasyl in Niedersachsen. Im vergangenen Jahr gab es in den evangelischen Kirchengemeinden rund 200 Fälle mit rund 220 Menschen. Das teilte die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers auf Anfrage mit.

Im Jahr zuvor hatte es demnach lediglich 77 Fälle von Kirchenasyl gegeben, in den Jahren davor lagen die Zahlen noch niedriger. Wie viele Menschen sich aktuell in Niedersachsen im Kirchenasyl befinden, gab die Landeskirche nicht an. Die Länge des Kirchenasyls sei unterschiedlich, in der Regel dauere es wenige Wochen.

Abseits des Kirchenasyls wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im vergangenen Jahr 23.562 Erstanträge auf Asyl in Niedersachsen gestellt. Der Anteil der Menschen, die ins Kirchenasyl gehen, ist also gering.

Kirchen prüfen Schutzbedürftigkeit im Einzelfall

Als geschützte kirchliche Räume, die vom Staat respektiert werden, gelten nach Angaben der Landeskirche auch Gemeindehäuser oder Gemeinderäume, in denen Andachten oder Gottesdienste stattfinden. Die Gewährung eines Kirchenasyls sei für die betroffenen Flüchtlinge oft die letzte Möglichkeit, um etwa eine drohende Gefahr im Rückkehrland abwenden zu können.

„Wenn eine geflüchtete Person bei einer Kirchengemeinde um Kirchenasyl bittet, prüfen die Verantwortlichen in Kirchengemeinden in dem konkreten Einzelfall die Schutzbedürftigkeit der Geflüchteten und sondieren, welche Gefahrenlage im jeweiligen Ersteinreiseland bestehen könnte“, teilte die Landeskirche mit.

BAMF hat 2024 bis Oktober keinen einzigen Härtefall anerkannt

Das Bundesamt teilte mit, bundesweit seien von Januar bis Oktober vergangenen Jahres 2.032 Meldungen von Kirchenasyl für 2.539 Menschen eingegangen. Zahlen für Niedersachsen lägen nicht vor.

Fast alle Fälle hatten demnach einen sogenannten Dublin-Bezug, das heißt, ein anderer EU-Mitgliedstaat wäre für das Asylverfahren zuständig. Am häufigsten seien das Bulgarien (593 Fälle), Kroatien (398) und Rumänien (221) gewesen.

In keinem einzigen Fall habe das Bundesamt in dieser Zeit jedoch einen außergewöhnlichen Härtefall anerkannt, der dazu führen könne, dass Deutschland das Asylverfahren an sich ziehe. „Die gemeldeten Kirchenasylfälle stellen nach fachlicher Einschätzung des BAMF ganz überwiegend keine Härtefälle dar“, teilte ein Sprecher mit.

Niedersachsen hat Abschiebungen aus Kirchenasyl ausgesetzt

Die Landeskirche erklärte hingegen, in den meisten Fällen gebe es seitens des BAMF überhaupt keine Rückmeldung, sodass die Zuständigkeit für das Asylverfahren nach einem Fristablauf auf Deutschland übergehe. Bei einer Ablehnung durch das Bundesamt müsse das Kirchenasyl jedoch enden.

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hatte die geringe Anerkennung von Härtefällen im vergangenen Frühjahr nach Gesprächen mit dem BAMF und der evangelischen Kirche kritisiert. Sie kündigte damals an, dass die Landesregierung keine weiteren Überstellungen oder Abschiebungen aus dem Kirchenasyl vornehmen werde. Diese Vereinbarung hat nach Angaben der Landeskirche unverändert weiter Bestand.