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Geschichte Kennedys Berlinrede war ein herausragender Moment

US-Präsident John F. Kennedy begeisterte die Menschen in West-Berlin vor 60 Jahren mit seiner Rede vor dem Schöneberger Rathaus. Den Redetext hatte er schon mitgebracht, aber dann doch noch einmal überarbeitet.

Von dpa 20.06.2023, 07:01
Das historische Foto zeigt den damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy bei seiner Rede.
Das historische Foto zeigt den damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy bei seiner Rede. Heinz-Jürgen Göttert/dpa

Berlin - Die Rede des US-Präsidenten John F. Kennedy in Berlin vor 60 Jahren war nach Überzeugung der Historikerin Jessica Gienow-Hecht eine der wichtigsten in der Zeit des Kalten Krieges. „Kennedy kam am Tiefpunkt der Beziehungen zwischen USA und Sowjetunion nach Berlin. Fast zwei Jahre nach dem Mauerbau war hier die bestbewachte Grenze im Eisernen Vorhang“, sagte die Professorin an der Freien Universität (FU) Berlin der Deutschen Presse-Agentur. „Viele Menschen in Berlin waren nach dem Bau der Mauer deprimiert, viele hatten die Stadt verlassen.“

Der Besuch dieses charismatischen, jungen Präsidenten habe den Menschen in West-Berlin sehr viel Hoffnung gegeben. „Einmal, weil es das klare Bekenntnis zur Verteidigung West-Berlins war, aber auch weil er einen Augenblick von politischer Normalität vermittelte.“ Kennedys Besuch habe auch signalisiert, dass die USA hinter West-Berlin stünden. „Dieser Besuch eines US-Präsidenten war ja ganz ungewöhnlich: Berlin war gar nicht die deutsche Hauptstadt, es war nicht einmal Teil der Bundesrepublik.“

Den Text für die Rede am 26. Juni 1963 hatte Kennedy schon in der Tasche, bevor er in Berlin landete. „Er hat sie dann noch umgearbeitet, auch vor dem Hintergrund seiner Eindrücke am Brandenburger Tor und am Checkpoint Charlie“, sagte Gienow-Hecht. „Das Resultat ist ein sehr viel deutlicheres Bekenntnis zu Berlin und gegen die Teilung der Stadt.“ Kennedy habe seine Rede dann im Wesentlichen frei gehalten. „Es gab Diskussionen hinter den Kulissen, ob er dabei nicht viel zu weit gegangen sei, ob sie die sowjetischen Machthaber vergrätzen würde.“

Den Berlinern hat er damit imponiert. „Er hat ihnen gezeigt, dass er verstanden hat, was es bedeutet in West-Berlin zu leben. Und sein Satz „Ich bin ein Berliner“ war einfach ungeheuer sympathisch“, so die Historikerin vom John-F.-Kennedy-Institut der FU. „Es ging ihm um die Solidarität eines amerikanischen Präsidenten mit den Menschen in Berlin. Wenn Sie nach Gelsenkirchen fahren und sagen „Ich bin ein Gelsenkirchener“, sind die Leute natürlich auch begeistert.“

Der Satz „Ich bin ein Berliner“ sei Kennedys eigene Idee gewesen, wie historische Forschungen zeigten. „Kenndey war ein kluger, gebildeter Mann, aber er sprach kein Deutsch. Er hat den Satz mehrfach geübt, ihm fiel die Aussprache schwer“, sagte Gienow-Hecht. „Die Rede ist zwar relativ kurz, aber eine der wichtigsten des gesamten Kalten Krieges.“

Der US-Präsident war beeindruckt von der Stimmung in Berlin. „Ich glaube, Kennedy hatte die Vorstellung von West-Berlin, dass es sich um einen ziemlich deprimierenden Haufen von Vergessenen in einer eingekerkerten Stadt handeln würde“, so die Historikerin. „Er war überwältigt von den Menschen auf diesem Platz, die ihm zujubelten und so froh waren, ihn zu sehen.“

Es sei ein besonderer historischer Augenblick gewesen: „Der Berlin-Besuch ist so einer der zeitlosen Momente, wo alles ganz richtig ist, ein Moment, wo ganz klar ist, wer recht hat und wer nicht und wo man sein und wo man stehen möchte und wo nicht.“ Kennedy sei das bewusst gewesen.

„Er selbst merkte, dass es ein Höhepunkt womöglich seiner gesamten politischen Laufbahn sein würde. Ich denke, damit hat er recht gehabt“, sagte die Historikerin. „Es gibt so Tage in der Geschichte, die sind einmalig. Berlins nächster großer Tag war der 9. November 1989.“