«Kannibale von Rotenburg» «Kannibale von Rotenburg»: Meiwes muss wegen Mordes lebenslang ins Gefängnis

Frankfurt/Main/dpa. - Das Frankfurter Landgericht hat den«Kannibalen von Rotenburg» wegen Mordes zu lebenslanger Haftverurteilt. Doch dem Vorsitzenden Richter Klaus Drescher war amDienstag bei der Begründung der Entscheidung im FrankfurterLandgericht selbst klar, dass seine Kammer nicht die beste denkbareLösung für die in ihrem Pietätsgefühl extrem verletzte Gesellschaftund den 44 Jahre alten Angeklagten Armin Meiwes selbst finden konnte.«Der Rechtsstaat kann nicht alles lösen», sagte der Jurist auf dievon ihm unausgesprochene Feststellung, dass Meiwes wohl besser in derPsychiatrie aufgehoben wäre.
Es ist ein hochgradig gestörter Mann, der sich seit Januar inseinem bereits zweiten Prozess präsentiert hat und sein Urteilunbewegt aufnahm. Frauen sieht der Sohn einer extrem herrschsüchtigenMutter als «Gebärmaschinen», die der «Nachzucht leckerer Jungs»dienen und daher nicht getötet werden dürften. Sexuelle Erregungfindet der einsiedlerische Computertechniker nur in der Vorstellung,das Fleisch junger Männer wie ein Metzger zu bearbeiten undaufzuessen. Nach dem Tod seiner Mutter hat er in den Sudelecken desInternets über 400 Gleichgesinnte kontaktiert und schließlich seineFantasie mit dem nicht minder gestörten Extrem-Masochisten Bernd B.am 10. März 2001 in einem einsamen Gutshof in die Tat umgesetzt. DasGericht hat darin Mord aus sexuellen Motiven erkannt.
Der stets korrekt gekleidete und meist beflissen auftretendeMeiwes hat in Frankfurt wie zuvor in Kassel seine Bluttat gestanden,sich gleichzeitig aber als Werkzeug seines Opfers dargestellt: «Essenwollte ich ihn, töten wollte ich ihn nicht. (...) Ich habe nur seineintensiven Wünsche umgesetzt.» Bald nach der Tat ging Meiwes auf dieSuche nach neuen Opfern, die «jünger und nicht so fettig» seinsollten.
Noch in seinem Schlusswort hat Meiwes den Kannibalismus alsziemlich verbreitete Sache mit mindestens 10 000 Betroffenen alleinin Deutschland dargestellt. Für ihn scheint es völlig normal, wennsich jemand wie sein Opfer nach seinem Tod aufessen lassen will. «Woleben wir denn?» rief er in den kahlen Gerichtssaal 165 C. SeinemAppell an all die anderen vermeintlichen Gesinnungsgenossen, vonihren Vorstellungen abzulassen und sich behandeln zu lassen,schenkten die Richter eben so wenig Glauben wie seiner Beteuerung, erhabe nicht gewusst, dass B. beim tödlichen Messerstich noch lebte.
Die eigentlichen Entscheidungsträger hinter den Richtern waren zurUrteilsverkündung nicht erschienen. Die beiden psychiatrischenGutachter Klaus Beier (Berlin) und Georg Stolpmann (Göttingen) sindbei ihren Einschätzungen aus dem ersten Verfahren geblieben und habendie Entscheidung des Frankfurter Schwurgerichts maßgeblichbeeinflusst. Über ihre Einschätzung, dass Meiwes zwar seelisch schwerund unheilbar gestört, aber dennoch voll steuerungsfähig gewesen sei,mochten sich die Richter nicht hinwegsetzen. Juristisch folgt daraus,dass sie Meiwes nicht in den Maßregelvollzug zur psychiatrischenBehandlung schicken können, was bei Medien und im PublikumUnverständnis auslöste.
Meiwes' Verteidiger haben bei einer Mordverurteilung den erneutenGang in die Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe angekündigt.Der hat jedoch bei der Aufhebung des ersten Urteils aus Kassel zuachteinhalb Jahren Haft wegen Totschlags sehr klare Vorgaben gemacht.Bei einer juristisch sauberen Begründung werden die KarlsruherBundesrichter kaum Anlass sehen, das zweite Urteil im Fall desKannibalen aufzuheben. Unklar bleibt dann nur die Frage, wie langeMeiwes im Gefängnis bleibt. Richter Drescher hat darauf hingewiesen,dass es bei der bereits nach 15 Jahren möglichen Entlassung aufBewährung vor allem darauf ankommt, dass keine Wiederholungsgefahrbesteht.
