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«Kannibale von Rotenburg» «Kannibale von Rotenburg»: Bei Revisionsprozess droht lebenslang

Von Michael Evers 28.01.2005, 07:18
Der als «Kannibale von Rotenburg» bekannt gewordene Angeklagte Armin Meiwes wird vor der Urteilsverkündung im Kasseler Landgericht fotografiert (Archivbild vom 30.01.2004). Der 42 Jahre alte Computerfachmann wurde wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht Kassel sprach ihn schuldig, einen Berliner Ingenieur getötet, zerlegt und gegessen zu haben. (Foto: dpa)
Der als «Kannibale von Rotenburg» bekannt gewordene Angeklagte Armin Meiwes wird vor der Urteilsverkündung im Kasseler Landgericht fotografiert (Archivbild vom 30.01.2004). Der 42 Jahre alte Computerfachmann wurde wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht Kassel sprach ihn schuldig, einen Berliner Ingenieur getötet, zerlegt und gegessen zu haben. (Foto: dpa) dpa

Kassel/dpa. - Gleich zu Beginn seines Prozesses hatte Armin Meiwes gestanden,einen Berliner Ingenieur mit dessen Einverständnis vor laufenderKamera getötet, zerlegt und teils aufgegessen zu haben. Der Richterbegründete sein vielfach als zu milde kritisiertes Urteil damit, dasOpfer sei mit der Tat nachweislich einverstanden gewesen. Bei deranstehenden Verhandlung in Karlsruhe sollen Anklage und Verteidigungihre Plädoyers erneut vortragen. Die Staatsanwaltschaft hatte wegenLustmordes lebenslange Haft verlangt, die Verteidigung plädierte aufTötung auf Verlangen.

Da Kannibalismus in Deutschland kein Straftatbestand ist, hattedas Gericht mit dem Verfahren Neuland betreten. Zwei renommierteGutachter hatten dem Kannibalen - wie auch seinem Opfer - zwar eineschwere seelische Abartigkeit attestiert. Täter und Opfer hätteneinander zur Verwirklichung ihrer abartigen Fantasieninstrumentalisiert. Zugleich aber seien beide im Vollbesitz ihrergeistigen Kräfte gewesen und hätten genau gewusst, was sie taten.Meiwes wurde deshalb für voll schuldfähig erklärt, was eineEinweisung in die Psychiatrie an Stelle einer Haftstrafe nachdeutschem Recht ausschließt.

Dieses Dilemma wird auch im Fall eines Revisionsprozesses kaum zulösen sein. Allerdings könnten bei einer erneuten Verhandlung dieBeweggründe der Tat neu bewertet werden. Die Tötung und Verwertungder Leiche sei Teil einer Vereinbarung zwischen Täter und Opfergewesen, hatte das Gericht vor einem Jahr geurteilt. Insofern habe essich nicht um Mord aus niedrigen Beweggründen gehandelt. Alsmögliches Mordmerkmal käme indes die im Prozess intensiv erörterteTötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs in Betracht. Geprüftwerden müsste, ob das Lustempfinden bei der Tötung - anders als vomGericht angenommen - nicht doch ein dominierendes Motiv war.

Der Bundesgerichtshof kann im Frühjahr das Kasseler Urteil fürrechtskräftig erklären, den Prozess zur erneuten Verhandlung an dasLandgericht zurückverweisen oder ein eigenes Urteil sprechen. Währenddie juristische Prüfung des Grauen erregenden Falles andauert, hatArmin Meiwes in der Bibliothek des Kasseler Gefängnisses eineBeschäftigung gefunden.

Blick auf das mit Polizeibändern gesperrte Haus des mutmaßlichen Kannibalen im Rotenburger Ortsteil Wüstefeld (Kreis Hersfeld-Rotenburg) (Archivfoto vom 22.7.2003). Mit dem Urteil im Kasseler Kannibalismus-Prozess geht an diesem Freitag einer der spektakulärsten deutschen Kriminalfälle zu Ende. Während des zwei Monate dauernden Prozesses wurden nicht nur schockierende Details der unfassbaren Tat, sondern auch die Existenz einer Kannibalismus-Szene in Deutschland bekannt. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll der «Kannibale von Rotenburg» wegen Mordes lebenslang hinter Gitter. Die Verteidigung hat auf Tötung auf Verlangen plädiert, worauf höchstens fünf Jahre Haft stehen. (Foto: dpa)
Blick auf das mit Polizeibändern gesperrte Haus des mutmaßlichen Kannibalen im Rotenburger Ortsteil Wüstefeld (Kreis Hersfeld-Rotenburg) (Archivfoto vom 22.7.2003). Mit dem Urteil im Kasseler Kannibalismus-Prozess geht an diesem Freitag einer der spektakulärsten deutschen Kriminalfälle zu Ende. Während des zwei Monate dauernden Prozesses wurden nicht nur schockierende Details der unfassbaren Tat, sondern auch die Existenz einer Kannibalismus-Szene in Deutschland bekannt. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll der «Kannibale von Rotenburg» wegen Mordes lebenslang hinter Gitter. Die Verteidigung hat auf Tötung auf Verlangen plädiert, worauf höchstens fünf Jahre Haft stehen. (Foto: dpa)
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