Harry's Goldener Abend England feiert Sommer-Sündenbock Kane
Der Tenor in der Heimat ist eindeutig: Er hat es seinen Kritikern gezeigt. Und der Kapitän der Three Lions und Torjäger des FC Bayern ist noch lange nicht fertig.
London - Nach dem glorreichen Auftritt von Harry Kane in seinem großen Jubiläumsspiel lag Fußball-England dem Starstürmer wieder zu Füßen. Mehr noch: nach dem Doppelpack mit goldenen Schuhen beim 2:0 gegen Finnland in der Nations League im Londoner Wembleystadion verneigten sich die britischen Medien vor dem Kapitän der Three Lions.
„Das war ein großartiger Abend für mich“, sagte Kane über seine Länderspiel-Tore Nummer 67 und 68 für England - in seinem 100. Einsatz. Und dann gab es noch einen kleinen verbalen Seitenhieb für die Kritiker. „Wenn an Dir gezweifelt wird, weckt das nur noch mehr den Ehrgeiz, den Leuten zu zeigen, dass sie falschliegen.“
Viel Lob für den Bayern-Stürmer
Es war nicht nur eine Trotzreaktion von Kane, sondern eine Demonstration seiner Torjäger-Qualitäten. Mit zwei „der allerbesten Tore, die er jemals für sein Land gezaubert hat“, schrieb das Boulevardblatt „The Sun“.
Kane traf in der 57. und 76. Minute, zuerst aus rund 15 Metern von halbrechts mit rechts unter die Latte nach einer feinen Ballannahme inklusive Täuschung eines Gegenspielers. Dann aus etwa elf Metern nach Vorlage von rechts, wieder mit rechts, diesmal halbhoch ins Eck. „Wie so oft: Er lässt es so einfach aussehen“, kommentierte der Reporter des amerikanischen Senders Fox Sports die Aktionen.
„Es ist sein Abend“, sagte Debütant Noni Madueke, der Kanes zweiten Treffer vorbereitet hatte: „Es macht Spaß, mit Harry zu arbeiten, denn wenn man ihm im Strafraum den Ball gibt, schenkt er einem einen Assist.“
„Zwei majestätische Abschlüsse“
Er hätte sich kein besseres Spiel wünschen können, sagte Kane nach dem Abpfiff, als er mit der vor dem Spiel erhaltenen Goldenen Kappe in der Hand auf dem Rasen des Wembleystadions noch ein Video für seine Fans drehte. „Was für eine Nacht! Ich bin wirklich stolz“, sagte Kane. Es sei einer der stolzesten Abende für ihn im Dress der englischen Nationalmannschaft gewesen.
„Harry Kane beweist einmal mehr, dass seine Kritiker Unrecht haben, indem er Finnlands hartnäckigen Widerstand mit zwei majestätischen Abschlüssen beendet“, titelte die „Daily Mail“. Und „The Sun“ konnte sich eine kleine Wortspielerei nicht verkneifen: „Nachdem er im Sommer zum Sündenbock in Deutschland gemacht wurde, ist er nun wieder einfach der GOAT.“ Das steht für Greatest of all Time, auf Deutsch: Größter aller Zeiten. Goat heißt aber auch Ziege auf Deutsch.
Kane, der im verlorenen EM-Finale in Berlin gegen Spanien nicht hatte glänzen können, beeindruckte diesmal auch die gegnerischen Spieler. „Die Statistik, die Spiele, all die Aktionen und der Einfluss, den er auf seine Mannschaft hat, machen ihn zu einem großen Spieler“, sagte der finnische Nationaltorhüter Lukas Hradecky vom deutschen Meister Bayer Leverkusen und ergänzte: „Es ist schön, so einen Spieler in der Bundesliga zu haben.“
Fans erheben sich für Kane
Im Club der 100er ist Kane nun der zehnte Engländer. Rekordnationalspieler der Three Lions ist mit 125 Einsätzen die einstige Torwartlegende Peter Shilton. Eine Zahl, die für Kane erreichbar scheint - genauso wie die 100-Tore-Marke.
Rekordtorschütze ist Kane längst vor Wayne Rooney (53). „Ich versuche, mir selbst nie Grenzen zu setzen, was ich erreichen kann. Ich weiß, dass ich Chancen bekomme, wenn ich in diesem Team spiele. Und wenn ich Chancen bekomme, kann ich viele Tore schießen“, sagte Kane.
Bei seiner Auswechslung in der 79. Minute erhoben sich die Fans im Stadion von ihren Plätzen. „Es ist so eine besondere Nacht für ihn. Ich wollte den Fans die Chance geben, ihm ihre Wertschätzung zu zeigen“, erklärte Interimstrainer Lee Carsley.
Sein Vorgänger Gareth Southgate war nach der EM zurückgetreten - zum Bedauern von Kane, der mit seinen Auswahlkollegen in der Nations League nur in der Liga B spielt und nach zwei Spielen in der Gruppe 2 wie Griechenland sechs Punkte auf dem Konto hat. Kanes Auftritt war aber mehr als erstklassig.