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Jung und einsam Jung und einsam: Warum fühlen sich Menschen um die 30 besonders oft einsam?

Von Kristin Kruthaup 04.10.2017, 09:00

Viele kennen so etwas aus dem Freundeskreis: Da gibt es jemanden, der sehr viel allein ist. Manchmal ist es selbst gewählt: Jemand wohnt alleine, hat keinen Partner und ist bei Freunden sehr wählerisch. Dann ist das Alleinsein oft gar kein Problem, derjenige braucht einfach nicht viele soziale Kontakte, um mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein.

Es gibt aber auch die anderen, die zum Beispiel nach einem Umzug oder einer Trennung auf einmal den oder die Liebsten gar nicht mehr oder nur noch selten sehen und sich allein fühlen. Was können die wenigen Freunde und Bekannten in dem Fall machen? Müssen sie überhaupt etwas gegen Einsamkeit tun?

Menschen zwischen 40 und 34 und Menschen über 65 sind einsam

Laut einer Studie aus dem Jahr 2016 von Professorin Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum sind besonders Menschen zwischen 30 und 34 Jahren und über 65 Jahren einsam. Grundlage der Studie sind Daten von 16 132 Personen aus dem Sozio-ökonomischen Panel (Befragung des Meinungsforschungsinstituts Infratest).

„Dass die Älteren einsam sind, hatten wir ein Stück weit erwartet“, sagt Luhmann. Im Rentenalter sei das Einkommen oft geringer, die körperlichen Beschwerden nehmen zu, und immer häufiger leben die Menschen als Single. Das könne Einsamkeit begünstigen.

Kinder, Job, Hausbau: Die Rush Hour des Lebens

Dass sich viele in der Altersgruppe zwischen 30 und 34 einsam fühlen, habe sie aber überrascht, sagt Luhmann. „Es könnte daran liegen, dass viele dann in der Rush Hour des Lebens sind: Kinder, Aufstieg im Job, Hausbau. Auf viele prasselt dann alles gleichzeitig ein.“ Für Freunde bleibe mitunter kaum Zeit. Das könnte dazu führen, dass sich viele einsam fühlen, sagt Luhmann.

Eine andere Erklärung: Viele leben als Single. Sind dann noch Verbindungen zu Freunden und der Familie lose, begünstigt das ebenfalls Einsamkeit.

Einsamkeit kann krank machen

Auf längere Sicht kann Einsamkeit die Lebenszufriedenheit stark beeinträchtigen. „Man hat herausgefunden, dass Menschen, die chronisch einsam sind, krank werden“, erläutert Luhmann. Sie leiden häufiger an Herz-Kreislauf-Krankheiten und sterben mitunter früher als Personen, die sozial eingebunden sind.

Wichtig ist allerdings, zwischen Einsamkeit und dem Alleinsein zu unterscheiden. „Nicht jeder, der viel allein ist, leidet“, sagt Luhmann. Es gebe durchaus Menschen, die einfach gerne für sich seien. Die meisten bräuchten aber soziale Kontakte. Luhmann definiert Einsamkeit als das Gefühl, dass man weniger soziale Kontakte hat, als man gerne hätte. Und wer darunter über längere Zeit leidet, wird häufig unglücklich.

Das können die Freunde tun

Was also tun, wenn Freunde einsam sind? Zunächst sei es wichtig, sein eigenes Verhältnis zum Thema Einsamkeit kritisch zu hinterfragen, rät Psychologin Birgit Spieshöfer. Oft fielen einem an Freunden Probleme auf, die für einen selbst Thema sind. Fühle ich mich selbst einsam? Wann war ich früher einmal einsam? Nur wer wisse, was das Thema Einsamkeit mit einem selbst zu tun habe, könne anderen eine Hilfe sein, sagt Spieshöfer.

Dann aber ist es unter Umständen sinnvoll, Freunde darauf anzusprechen. Es kann den anderen entlasten - und möglicherweise findet man zu zweit leichter einen Lösungsweg für das Problem. Denn oft ist es so: Wer sich einsam fühlt, zieht sich in vielen Fällen immer weiter zurück. „Einsame Menschen nehmen ihr Umfeld oft irgendwann als bedrohlich wahr“, erläutert Luhmann. Typisch seien dann Gedanken wie: „Keiner mag mich.“ Dadurch werde es oft immer schwieriger, Anschluss an Gruppen zu bekommen.

Im schlimmsten Fall führt Einsamkeit zu Depressionen oder Angststörungen

Andere suchten in Medikamenten, Alkohol oder Essen eine Ersatzbefriedigung, erklärt Psychotherapeutin Marion Tacke. Im schlimmsten Fall führe Einsamkeit zu Depressionen oder Angststörungen.

Im Gespräch mit den Freunden sei es wichtig, diese nicht zu bevormunden, sondern das Thema behutsam und möglichst offen anzusprechen - etwa „Mir ist aufgefallen, dass...“ oder „Kann es sein, dass...“. Blockt der andere das Gespräch ab, sollte man das akzeptieren, rät Tacke. Man könne niemanden zwingen, bei Problemen genauer hinzuschauen.

Die Person muss jedoch auch selbst dafür Sorge tragen, dass sie sich wohlfühlt

Gibt es aber die Bereitschaft, darüber zu sprechen, ist allein das Gespräch für den Betroffenen häufig schon sehr entlastend. Er fühlt sich dann besser aufgehoben. Zusammen lasse sich auch überlegen, welche Wege es gebe, um weniger einsam zu sein, sagt Tacke.

Das kann zum Beispiel sein, dass man versucht, neue Menschen kennenzulernen, vielleicht über einen Chor oder einen Sportverein. Freunde können dabei helfen und zu ersten Treffen mitgehen. Natürlich besteht darüber hinaus die Möglichkeit, den Betroffenen selbst zu Veranstaltungen mitzunehmen - aber nur, wenn beide es wollen.

Eins sollten Freunde sich aber auch klarmachen: Sie können jemanden, der einsam ist, dabei unterstützen, diese Phase des Lebens gut zu durchleben. Sie müssen es aber nicht. „Als Freund ist es nicht meine Aufgabe, die Bedürfnisse von anderen zu erfüllen“, sagt Spieshöfer. Im Gegenteil: Ein Stück weit müsse die Person selbst dafür Sorge tragen, dass sie sich wohlfühlt. (mz)