Religion Jüdische Landesgemeinde verlässt Runden Tisch der Religionen
Eine Einladung zum Treffen einer interreligiösen Runde führt zur Austrittserklärung der Jüdischen Landesgemeinde. Der Sprecher der Runde hofft, dass sich die Wogen noch glätten lassen.
Erfurt - Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm, hat den Austritt der Gemeinde aus einer interreligiösen Gesprächsrunde erklärt. Als Begründung für diesen Schritt verwies Schramm in einem offenen Brief an die Dialog-Mitglieder am Donnerstagabend auf eine Einladungsmail des „Runden Tisches der Religionen Erfurt“. In dieser Mail heißt es: „Mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten soll daran erinnert werden, dass wir uns - wie beim ersten Treffen im Frühjahr beschlossen - NICHT mit internationaler Politik beschäftigen werden.“ Man wolle sich aber dafür einsetzen, dass die internationalen Konflikte nicht auf das städtische Miteinander übergriffen, hieß es.
„Wir hatten als bisher engagierte Teilnehmer am Runden Tisch der Religionen ein Minimum an Mitgefühl mit uns Juden erwartet“, kritisierte Schramm in seinem Schreiben. Aus seiner Sicht werde in der Einladung ein Schweigen über die „Pogromverbrechen der Hamas“ angeordnet, „statt Bestrafung oder Ausweisung der Straftäter zu fordern“. Weiter schrieb er: „Die Jüdische Landesgemeinde Thüringen verlässt mit dem heutigen Tag den Runden Tisch der Religionen in Erfurt.“
Einladungsautor hofft auf Verständigung
Der Sprecher des Runden Tisches, Eckehart Schmidt, der nach eigener Aussage die Einladungsmail allein verfasst hat, erklärte im Telefonat mit der Nachrichtenagentur dpa, dass er mehr als überrascht von Schramms Reaktion sei und sich missverstanden fühle. „Ich möchte auf keinen Fall die abscheulichen Verbrechen der Hamas verschweigen“, betonte Schmidt am Freitag.
Er sei nicht der Leiter des Runden Tisches und wolle keine Vorgaben machen. „Mein Punkt war nur, dass wir auf städtischer Ebene ein friedliches Miteinander haben.“ Er hoffe, dass Schramm den Austritt der Jüdischen Landesgemeinde überdenke und bei dem nächsten Treffen des Runden Tisches einfach den Vorschlag mache, dass sich der Dialogkreis doch mit dem Thema beschäftige.
Gespräch zwischen Schramm und Schmidt
Noch am Freitag sprachen Schramm und Schmidt miteinander, wie es von beiden Seiten übereinstimmend hieß. „Ich habe noch einmal betont, dass wir sehr unzufrieden sind mit der Situation, wir wollen uns aber noch mal in aller Ruhe unterhalten“, sagte Schramm. Er schätze Schmidt, es sei aber ein grober Fehler passiert. An dem Austritt aus dem Runden Tisch wolle er zunächst festhalten.
Auch Gedenkstätten-Leiter reagiert
Auch der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, hat sich befremdet über die Formulierung in der Einladungsmail gezeigt. Er kenne die Hintergründe des Schreibens nicht, so Wagner in einer Reaktionsmail auf Schramms Brief. „Ich muss aber bekennen, dass ich die Aufforderung der Einladenden, sich am 16.11. nicht mit dem Massaker der Hamas zu beschäftigen (auch noch in großen Lettern), sehr irritierend und in keiner Weise nachvollziehbar finde.“
Ein gemeinsames Zeichen der Solidarität und der Trauer wäre das Mindeste gewesen. Zum Massaker der Hamas als Thüringer zu schweigen, gehöre sich nicht und müsse von den Juden im Freistaat als Schlag ins Gesicht wahrgenommen werden, so Wagner.
Runder Tisch erst im Frühjahr gegründet
Der Runde Tisch der Religionen Erfurt war erst im April 2023 gegründet worden. Gemeindevertreter von mehr als zehn Erfurter Religionsgemeinschaften sind Mitglieder. Vertreten sind dort unter anderen Muslime, Christen und Buddhisten. „Und eigentlich auch die Jüdische Landesgemeinde - es wäre wirklich wichtig, dass sie mit am Tisch sitzt“, sagte Schmidt.