Filmpreis Iraner Mohammad Rasoulof soll Oscar für Deutschland holen
Vor wenigen Monaten gelang Mohammad Rasoulof die Flucht aus dem Iran. Nun könnte er den Oscar nominiert werden - für den Produzenten des Films ein Zeichen für die Kraft des kulturellen Austauschs.
München - Erst vor wenigen Monaten floh er nach Deutschland - nun ist er die deutsche Oscar-Hoffnung: Der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof soll mit seinem Film „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ über die politischen Proteste in seiner Heimat für Deutschland ins Rennen um den Oscar für den besten internationalen Film gehen, wie German Films, die Auslandsvertretung des deutschen Films, in München mitteilte. Er setzte sich gegen ein Dutzend weitere Bewerberfilme durch.
„Ich bin sehr froh, dass die Jury das gewagt hat anzuerkennen, dass es Menschen gibt mit Migrationsgeschichte, die sich hier auch zuhause fühlen“, sagte Produzent Mani Tilgner der Deutschen Presse-Agentur.
„Unterschiedlichste Lebensrealitäten und Migrationsgeschichten“
„Dieser Film, der die Geschichte von Unterdrückung, aber auch von Hoffnung und Widerstand erzählt, ist das Ergebnis einer einzigartigen Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlichster Lebensrealitäten und Migrationsgeschichten. Er zeigt, wie kraftvoll der interkulturelle Austausch in einer freien und offenen Gesellschaft wirken kann“, teilten Rasoulof, Tilgner und die beiden weiteren Produzenten des Films mit.
„Die Saat des heiligen Feigenbaums“ erzählt von den Auswirkungen der politischen Proteste im Iran auf eine Familie. Der Film sei „das Psychogramm der auf Gewalt und Paranoia aufgebauten Theokratie des Iran“, hieß es in der Jurybegründung. Rasoulof erzähle „auf subtile Weise von den Rissen innerhalb einer Familie, die stellvertretend sind für die Risse innerhalb der iranischen Gesellschaft. Ein meisterhaft inszenierter und berührend gespielter Film, der Szenen findet, die bleiben.“
Der Film wurde hauptsächlich in Deutschland produziert und kann daher für das Land ins Rennen gehen. „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ ist nicht nur ein politisch äußerst relevanter, sondern auch ein spannungsgeladener und bewegender Film mit vielschichtigen Charakteren.
Das heimlich gedrehte Werk erzählt von den Protesten im Iran nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022. Die Lage im Land wird anhand der Spannungen in einer Familie erzählt. Auf der einen Seite stehen der streng gläubige Vater namens Iman (Missagh Sareh), der seit Kurzem als Ermittler beim Islamischen Revolutionsgericht arbeitet, und seine Frau Najmeh (Soheila Golestani). Auf der anderen Seite sind ihre beiden Töchter im Teenager-Alter, die mit den Protesten sympathisieren.
Preise bei der Berlinale und in Cannes
Rasoulof, der 2020 den Goldenen Bären der Berlinale für seinen Film „Es gibt kein Böses“ erhalten hatte, gilt im Iran als äußerst kritischer Filmemacher und wurde bereits in der Vergangenheit inhaftiert. Er wurde kürzlich in seinem Heimatland zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt und hat das Land daraufhin im Mai heimlich verlassen.
Nach einigen Tagen kam Rasoulof in Hamburg an, wo seine Tochter Medizin studiert und wo er nach Angaben von Produzent Tilgner schon seit 2012 hauptsächlich lebte. Von dort pendelte Rasoulof regelmäßig nach Teheran, bis er bei einer dieser Reisen an der Ausreise gehindert wurde und daraufhin einige Jahre im Iran festsaß. „Wir sind froh, dass er jetzt wieder sicher in Hamburg ist und jetzt für die Oscar-Nominierung antreten kann“, sagte Tilgner.
Bei den Filmfestspielen in Cannes gewann Rasoulof den Spezialpreis der Jury. Bei seiner dortigen Premiere bekam der Regisseur im Mai die längsten Standing Ovations des diesjährigen Filmfestivals - über zwölf Minuten applaudierte das begeisterte Publikum nach dem Abspann. Einige Zuschauerinnen und Zuschauer hatten Tränen in den Augen. Schon bei seiner Ankunft im Kinosaal - wenige Tage, nachdem er geflohen war - wurden der Regisseur und das restliche Filmteam minutenlang bei stehenden Ovationen bejubelt.
Der Weg zum Oscar ist noch hürdenreich
Die Wahl des deutschen Beitrags ist nur eine von mehreren Vorstufen. Die 15 Titel umfassende Shortlist für die Kategorie des Auslands-Oscars wird am 17. Dezember 2024 verkündet. Aus dieser Shortlist werden fünf Filme ausgewählt und nominiert, am 17. Januar 2025 wird dies bekanntgegeben. Die Oscar-Verleihung findet dann am 2. März 2025 statt.
Im Frühjahr war bei der Oscar-Verleihung der für den besten internationalen Film nominierte deutsche Beitrag „Das Lehrerzimmer“ von Ilker Çatak leer ausgegangen. In der Kategorie holte die britische Produktion „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer den Oscar.
Vier deutsche Produktionen gewannen bislang Auslands-Oscar
Insgesamt läuft es in der jüngsten Vergangenheit nach einigen schwierigen Jahren vergleichsweise gut für den deutschen Film im Ausland, wo er zunehmend im Fokus steht - nicht zuletzt durch den großen internationalen Erfolg von Schauspielerin Sandra Hüller, deren neuen Film „Zwei zu eins“ von Regisseurin Natja Brunckhorst hatte sich als deutscher Oscar-Beitrag beworben und wurde von „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ ausgestochen.
2023 hatte außerdem die deutsche Literaturverfilmung „Im Westen nichts Neues“ von Regisseur Edward Berger nicht nur den Oscar als bester internationaler Film geholt, sondern auch noch drei weitere für Kamera, Szenenbild und Filmmusik.
Insgesamt gewannen allerdings erst vier deutsche Produktionen den Preis für den besten internationalen Film. Außer „Im Westen nichts Neues“ war das 2007 Florian Henckel von Donnersmarck mit dem Stasi-Drama „Das Leben der Anderen“ gelungen. 1980 hatte die Romanverfilmung „Die Blechtrommel“ von Volker Schlöndorff diesen Preis erhalten, 2003 „Nirgendwo in Afrika“ von Caroline Link.