Interview mit Boris Becker Interview mit Boris Becker: «Ich bin dankbar für dieses Leben»
Hamburg/dpa. - Allerdings sollte das viele Reisen endlichein Ende haben und die Familie mehr bei ihm sein. Mit dem Heiratenwerde es in diesem Jahr wohl nichts mehr, sagte der Wahl-Schweizer.Seinen Geburtstag wird er mit seiner Familie und etwa 50 Freunden inLondon feiern.
40 - Schockt Sie die Zahl?
Boris Becker: «Nein, überhaupt nicht. Aber ich muss zugeben, dassich erstmals mehr über einen Geburtstag nachdenke. 40 ist zwar auchnur eine Zahl, aber es bedeutet mir schon etwas mehr.»
Sie wollten an ihrem 40. Geburtstag Rückschau auf Ihr Lebenhalten. Würden Sie alles nochmal genauso machen?
Becker: «Es ist Halbzeit, das stimmt. Und jetzt mit 40 ist mirmehr denn je bewusst, was für ein Leben ich bislang leben durfte. DieHöhepunkte, in privater und beruflicher Hinsicht. Natürlich auch dieTiefen, die ich meistern musste. Die gehören genauso dazu. Aber wennich das Ganze zusammenfasse, dann bin ich dankbar für dieses Leben.Das hat mir mit 15 keiner vorausgesagt, dass es so spannend wird.»
Und mit 17 in Wimbledon wahrscheinlich auch nicht?
Becker: «Nein, da auch nicht. Aber mit dem Wimbledonsieg ist mannatürlich gebrandmarkt fürs Leben.»
Ihr Leben ist bestimmt von Reisen. Sie leben in der Schweiz, sindaber ständig auf Achse. Fällt es Ihnen schwer, sesshaft zu sein?
Becker: «Es ist mittlerweile so, dass ich liebend gerne wenigerreisen würde; dass es zunehmend richtig nervt. Ich hoffe, dass ichdas ändern kann. Dass mich Familie und Freunde mehr besuchen und esnicht nur umgekehrt ist.»
Wo waren Sie gerade?
Becker: «In Bahrain. Ich bin dabei, die Lizenzmarke Boris Beckerzu vertreiben. Außerdem habe ich hier meine erste kleine Tennis-Akademie eröffnet. Wir haben mit acht Plätzen den Grundstock gelegtfür das Boris Becker Tennis-Programm, das im Herbst starten soll.»
Vermissen Sie das Leben eines Tennisprofis?
Becker: «Ich bin dankbar, dass ich diesen Beruf habe ausübendürfen. Ich bin aber genauso dankbar, dass ich es heute nicht mehrtun muss. Alles zu seiner Zeit. Aber ich bleibe natürlich am Ball,habe mir in Bahrain im Fernsehen auch den Masters Cup angesehen.»
In Deutschland hätten Sie Roger Federer & Co. nicht sehen können.Hier gab es keine Fernsehbilder von der ATP-Weltmeisterschaft.
Becker: «So weit sind wir also schon gekommen, dass man nachBahrain fahren muss, um eine Tennis-WM im TV verfolgen zu können.»
Ihre persönliche Mondlandung - wie oft denken Sie noch anWimbledon 1985 und die Jahre danach?
Becker: «Ich werde fast täglich daran erinnert. Aber ich habe mirbis heute nie wieder das ganze Spiel angeschaut. Wenn ich Werbungmache oder durch die Welt reise, sehe ich den Matchball. Ich sehemich als jungen Mann und muss schmunzeln, wie ich mich veränderthabe.»
Beneiden Sie Steffi Graf um Ihr ruhiges Familienleben?
Becker: «Ich finde, dass Andre und Steffi das wunderbarorganisiert haben. Das hatte ich auch mal so. Ich wünsche ihnen, dasssie für den Rest ihres Lebens glücklich verheiratet bleiben. Wennaber mal eine Krise kommt, dann ist das bei öffentlichen Personen wieein Rattenschwanz. Dann kommt man leider nicht mehr davon. Dazukommt, dass ich in München gelebt habe und Steffi weit weg in LasVegas. Das ist ein Riesenunterschied. Nachdem ich fünf Jahre in derSchweiz lebe, hat sich auch bei mir Vieles beruhigt.»
Warum haben Sie sich aus dem Tennis-Geschehen zurückgezogen?
Becker: «Weil ich meine Aufgabe in Hamburg, die Rettung desTurniers, als erfüllt ansah. Wir haben den Rothenbaum wiederaufgebaut und etabliert. Das Kind konnte wieder gehen. In den zweiJahren mit mir als Daviscup-Teamchef standen wir im Viertelfinale,hätten natürlich gerne mehr gewonnen. Aber es war wohl nicht mehrmöglich. Meine Zeit als Funktionär war gut. Vielleicht mache ichsowas mit 50 noch einmal. Die Messe ist ja noch nicht gelesen.»
Doping, illegale Wetten und ein angeblicher Giftanschlag aufThomas Haas. Was ist los mit dem Tennis?
Becker: «Wir haben uns in Deutschland darüber beschwert, nichtsmehr über den Tennissport zu lesen. Jetzt tun wir das - leider ausden falschen Gründen. Aber man muss unterscheiden: Martina Hingis istpositiv auf Kokain getestet worden. Sie kannte die Regeln undGesetze; womöglich hat sie einen Fehler gemacht; auf jeden Fall istsie zurückgetreten.»
Und was ist dran am Wettskandal?
Becker: «Mir fehlt noch ein bisschen Fleisch. Da fehlen Namen,große Namen. Wenn ein Di Mauro, der auf Platz 150 der Weltranglistesteht, gesperrt wird, dann ist das schlimm, aber kein Skandal. Wennwir beweisen könnten, dass ein Spieler aus den Top Ten oder TopTwenty häufig seine Spiele verkauft hat, dann hätten wir einen Fall.Bis jetzt gibt es nur Gerüchte - und auf Gerüchte setze ich nicht.Den Giftanschlag auf Haas glaube ich nicht. Grundsätzlich jedoch binich froh, dass in Deutschland wieder über Tennis gesprochen wird.»
Sie haben Ihr zweites Buch «Was Kinder stark macht» auf den Marktgebracht. Was war die Motivation, einen Eltern-Ratgeber zu schreiben?
Becker: «Das Buch ist nicht nur ein Ratgeber, es hat auchbiografische Züge. Viele, die keinen wirklichen Einblick in meinLeben haben, meinen sich dennoch ein Urteil über meine Familie undmich bilden zu müssen. Da wollte ich es mir nach sieben Jahren nichtnehmen lassen, mich selbst zu äußern. Erstens, zu sagen, so sieht eswirklich aus in unserer Familie - und zweitens, aufzuzeigen, wie manaus Patchwork-Situationen das Beste macht.»
Ein schwieriges Thema. Hatten Sie Ratgeber?
Becker: «Ich habe natürlich den Rat von Experten undWissenschaftlern hinzugezogen. Auf meine zahlreichen Fragen haben siemir mit sehr wertvollen Tipps geantwortet. Wir leben ja in einerZeit, in der fast jede zweite Ehe geschieden wird, und demzufolgesind die Themen die das Buch behandelt ziemlich aktuell.»
Fürchten Sie nicht, dass man Ihnen vorwirft, Ihre Popularität aufeinem Gebiet auszunutzen, auf dem Sie kein Fachmann sind?
Becker: «Erstaunlicherweise gab es bislang noch keine Kritik. Dasist das erste Mal, dass ich von Kritik verschont bleibe. Selbst AliceSchwarzer hat mich gelobt. Da war ich total überrascht.»
Viele Kinder und Jugendliche sind zu dick und bewegen sich zuwenig. Ist deshalb auch ein Fitness-Test in Ihrem Buch?
Becker: «Da mir Sport auch am Herzen liegt und dieser für dieEntwicklung unserer Kinder wichtig ist, in körperlicher wiecharakterlicher Hinsicht, sind auch einige Tests in dem Buch. Alldiese Themen beschäftigen mich sehr, und deshalb war es mir einBedürfnis, dieses Buch zu schreiben.»
Tun Schule, Staat und Eltern zu wenig?
Becker: «Das ist stark untertrieben. Als Noah eingeschult wurde,meinte der Direktor, es gebe eine Stunde Sport. Das sei relativ wenigam Tag, sagte ich. Er allerdings meinte in der Woche. Kein Wunder,dass die Kinder in Zeiten des Internets unbeweglicher, unsportlicher,dicker werden. Und unter den Folgen leiden.»
Wenn Sie hören, dass in Deutschland jedes sechste Kind von derSozialhilfe leben muss, was denken Sie dann?
Becker: «Das kann man erst einmal nicht glauben. Da muss man garnicht nach Südafrika oder Asien fahren; Armut hat man auch vor dereigenen Haustür. Das muss man schleunigst ändern. Die soziale Scheredarf nicht weiter auseinander gehen. Der Staat darf nicht zulassen,dass die Kinder die Leidtragenden sind.»
Auch als Chairman der «Laureus Sport for Good Foundation» kümmernSie sich um Projekte für Kinder. Sind Kinder das Wichtigste für Sie?
Becker: «Kinder sind absolut meine Priorität. Ich kann mir garnicht mehr vorstellen, wie es war, keine Kinder zu haben."
Fühlen Sie sich ein bisschen schuldig, als Geschiedener mit einerunehelichen Tochter Ihren Kindern keine perfekte Familie bieten zukönnen?
Becker: «Absolut. Ein schlechtes Gewissen spielt auch eine Rolle.Das ist keine Frage und kein Geheimnis. Ich hatte mir das vor zehnJahren anders vorgestellt. Aber so geht es, glaube ich, vielen Väternin der gleichen Situation.»
Brauchen Ihre Kinder, je älter sie werden, den Vater mehr?
Becker: «Das behauptet jedenfalls meine Ex-Frau Barbara. Sie sagtmir immer ganz deutlich, dass vor allem mein Großer (Noah Gabriel, d.Red.) mehr Kontakt zu mir braucht als noch vor drei, vier Jahren.»
Ist das ein schönes Gefühl oder eher eine Belastung?
Becker: «Kinder erziehen ist doch nicht eine einmalige Situation.Ich werde mein Leben lang Vater sein. Ich hoffe, das sieht die Muttermeiner Tochter auch irgendwann so. Aber so weit sind wir noch nicht.»
Wieviel Einfluss haben Sie auf Annas Erziehung?
Becker: «Über die Sorgerechts-Verhandlung darf ich nicht sprechen.Das hat uns beiden (Becker und Angela Ermakova, d. Red.) das Gerichtverboten. Der Richter hat gesagt, das kann ich gerne wiederholen,dass es regelmäßig Kontakt vom Vater zu der Tochter geben wird.»
Für Sie beginnt das fünfte Lebensjahrzehnt. Wie geht es weiter?
Becker: «Ich wäre froh, wenn ich im gleichen Tempo und mit dergleichen Freude und Leidenschaft alles bis 50 noch so weiter machenkönnte. Das ist mein Ziel. Ich will jetzt nicht anfangen nachzulassenoder zu schwächeln. Ich hoffe aber, mehr Zeit mit meinen eigenenKindern verbringen zu können.»
Gib es eine große Party zum 40.?
Becker: «Es gibt eine Party, aber nicht so groß. Ich werde mit derFamilie und 50 Freunden in London feiern. Nichts Verrücktes.»
Was wünschen Sie sich für sich und für die Welt im Allgemeinen?
Becker: «Für mich, dass ich in Frieden und in Freiheit genausoweiter leben und arbeiten kann und darf - bei voller Gesundheit. Unddass wir aus unseren Fehlern lernen, ein bisschen mehr auf denMenschen Rücksicht nehmen und weniger auf die Hautfarbe achten. Dassder Mensch im Mittelpunkt steht.»
Und nun eine schwere Frage: Wann heiraten Sie wieder?
Becker: «Oh ... oooh. Das ist wirklich eine ganz schwierige Frage.Also dieses Jahr schaffe ich es nicht mehr. Und was das nächste Jahrbringt ...? Aber ich habe es auf jeden Fall auf dem Zettel.»
Ist die Glückliche schon informiert?
Becker: «Nein, die weiß noch nichts von ihrem Glück.»
Feiern Sie Weihnachten mit allen Kindern?
Becker: «Das ist mein großer Wunsch. Sicher ist, dass ich mitmeinen Söhnen feiern werde. Wenn dann auch noch meine Tochter dabeiist, wäre das Weihnachtsfest perfekt.»