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Internet Internet: So funktioniert Freundschaft 2.0

Von Andreas Thieme 02.06.2010, 06:29
Soziale Netzwerke erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. (FOTO: DPA)
Soziale Netzwerke erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. (FOTO: DPA) dpa

Berlin/Hagen/dpa. - Nicht jeder «Friend» ist zwar auch ein Freund im engerenSinne. Aber daraus können trotzdem echte Freundschaften entstehen.

«Freundschaft ist immer eine zweiseitige, langfristige Beziehung»,sagt Prof. Horst Heidbrink, Freundschaftsforscher an der Fern-UniHagen. Bloßes «Adden» im Netzwerk mache daher noch keine Freundschaftaus. In vielen Fällen sei die Freundesliste eher ein elektronischesAdressbuch, das sich durch den Nutzer selbst aktualisiert.

«Statt Vertiefung erlebt der Freundschaftsbegriff heute einedramatische Verflachung», glaubt Heiko Ernst, Chefredakteur derZeitschrift «Psychologie heute» (Ausgabe 5/2010). Die «Währung» derFreundschaftsnetze im Internet seien kleinste Informationspartikel,die stetig hin- und her gesendet werden. Intimität lasse sich abernicht in wenigen Zeichen herstellen. «Es ist eine gefühlte, keinereale Verbundenheit, die da erzeugt wird.» Zudem sei es nichtmöglich, mit mehr als 50 Freunden auf einmal «eng zu sein».

Darauf hat auch bereits der britische Psychologe Robin Dunbarhingewiesen. Er belegte anhand einer Studie, dass kein Mensch mehrals 150 Bekannte auf einmal «verarbeiten» kann. Beinahe so viele hataber der durchschnittliche Facebook-Nutzer. Die Qualität vonFreundschaften werde online allzu schnell durch Quantität ersetzt,folgert daraus auch der US-Kulturkritiker William Deresiewicz imEssay «Faux Friendship». Gerade in Netzwerken oder Communitys sei dieKommunikation selten tiefgründig und bestehe meist nur aus kleinenschnellen Botschaften über triviale Dinge.

Und trotzdem: Grundsätzlich bietet das Internet einen Mehrwert fürFreundschaften, findet Sascha Lobo, Blogger und Web-2.0-Experte ausBerlin. Von Vorteil sei zum Beispiel der nur scheinbar so trivialeUmstand, dass Freunde unabhängig vom Aufenthaltsort intensivenKontakt wahren können. So verliert man den Kumpel nicht aus denAugen, wenn er den Job im Ausland annimmt und kann im Videochat sogarseine Wohnung besichtigen. Wichtig ist laut Horst Heidbrink auch dieMöglichkeit zum zwanglosen Kontakt: Treffen müssen nicht verabredetwerden, und der Kontakt ist quasi permanent möglich.

«Auch das gegenseitige Kennenlernen wird erleichtert», ist LobosErfahrung. In Netzwerken lassen sich andere Menschen aufgrund ihrerProfile - zumindest fürs Erste - besser einschätzen als beim Gesprächin der Disco oder im Stadion. «Zudem fällt der Darstellungsdruckgegenüber einem persönlichen Treffen weg». So müsse man sich nichtanstrengen, durch Kleidung oder Verhalten in bestimmter Weise zuwirken, um Zuspruch zu finden.

Äußerlichkeiten seien bei Internet-Freundschaften nicht besonderswichtig, vielmehr zählen Einstellungen und Meinungen. «Und die kannim Profil ja jeder einsehen», sagt Lobo. Auch durch Statusmeldungenoder Tweets festige sich das Bild vom Gegenüber. «Ähnlichkeiten undgemeinsame Interessen werden so schneller oder überhaupt ersterkannt», sagt Horst Heidbrink. Wer als Freund zu einem passt oderpassen könnte, lässt sich gezielter einschätzen.

Manchmal führe das Internet sogar Menschen zusammen, die sich aufanderem Weg wohl nie kennengelernt hätten. So kann der Austausch viaWeb über die letzte Australien-Reise zur Basis für eine Freundschaftwerden. Selbst wenn die nächste Reise dann nicht zusammen bestrittenwird, können digital intensive Freundschaftsbeziehungen entstehen,ist Sascha Lobo überzeugt. Gemeinsame Interessen und der permanenteAustausch sind Heidbrink zufolge dafür ausreichend.

Doch es ist wichtig, Freundschaften im Web richtig einzuordnen,erläutert Lobo. Neben realen Freunden, zu denen offline eine tiefeBeziehung besteht und mit denen man unter Umständen zusätzlichdigital vernetzt ist, hat der Web-2.0-Experte drei Abstufungen vonNetz-Beziehungen ausgemacht. Da sind zum einen die Online-Freunde. Zuihnen hat der Nutzer permanent Kontakt, er muss sie aber nichtunbedingt persönlich kennen. «Das sind richtige Freunde - nur, dassman mit ihnen über das Internet kommuniziert.»

Als zweite Gruppe nennt Lobo die «Friends». Das können Mitgliedereiner Community sein, in der man aktiv ist und mit denen man sichdurch gleiche Ansichten verbunden fühlt. Sie seien mit Bekannten im«echten Leben» zu vergleichen. «Ihnen würde man aber nicht unbedingtbeim Umzug helfen.» Und drittens gebe es die reinen Kontakte: «Dassind sehr lose, indirekte Beziehungen, die ganz zufälligen Charakterhaben können.»

Feste Regeln für Online-Freundschaften gebe es nicht. Zu bedenkensei aber, dass die eigenen Meinungen und Verhaltensweisen im Netzstets für alle Freunde, Friends und Kontakte transparent sind. Wer zuviel über sich preisgibt, sein Profil täglich aktualisiert oder amlaufenden Band Statusmeldungen postet, nervt andere schnell. Aufkeinen Fall sollte Vertrauliches öffentlich gemacht werden, warntHeidbrink. «Sonst ist es mit der Freundschaft schnell vorbei.» DasVertrauen lässt sich dann nicht mit nur zwei Klicks zurückgewinnen.