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Indonesien Indonesien: Surabaya verkommt zur Umweltwüste

Von Christiane Oelrich 23.05.2007, 07:51
Ein indonesischer Soldat steht vor einem Dorf, das vom Schlamm überschwemmt wurde. (Foto: dpa)
Ein indonesischer Soldat steht vor einem Dorf, das vom Schlamm überschwemmt wurde. (Foto: dpa) EPA

Sidoarjo/dpa. - Die besten Experten der Welt sind ratlos.Die Gegend um Sidoarjo südlich der zweitgrößten Stadt Surabaya verkommt zur Umweltwüste. Wie eine graue Totendecke liegt derSchlamm über dem Land so weit das Auge reicht. Darunter begrabensind fünf Dörfer, deren 15 000 Einwohner längst geflüchtet sind.

«Wir haben nichts, wir konnten nicht mal Decken oder Tellerretten», sagt Maryatun Kiflia (45) und schaut düster auf ihrfrüheres Haus in Siring. Vor einem Jahr war das Schlammloch noch einpaar hundert Meter weit weg. Die Behörden schütteten einenSchutzwall um das Dorf auf. Der barst im Juli ohne Vorwarnung undbegrub das Dorf unter sich. Die Menschen rannten um ihr Leben.

Am 29. Mai 2006 stieg eine Schlammfontäne aus einem kleinen Lochin den Himmel. Inzwischen ist die Öffnung 60 Meter breit, schätztGeologe Sufyan Hadi. «Jeden Tag quellen 100 000 Kubikmeter raus»,meint er, eine Menge, die 50 olympische Schwimmbecken füllen würde.Um das Loch ist weiträumig ein Damm gebaut worden. In dem Bassinsteht der Schlamm schon teilweise 14 Meter hoch. Eine Fläche so großwie 800 Fußballfelder ist schon bedeckt.

Verantwortlich, glaubt die Regierung, ist die Firma LapindoBrantas, die ganz in der Nähe nach Gas gebohrt hatte. Sie soll in3000 Metern Tiefe ein unterirdisches Schlammreservoir angestochenhaben. Die Firma bestreitet das bis heute. In der Gegend gebe esjede Menge Schlammvulkane, so sei das halt. Pikanterweise gehört dieFirma der steinreichen Familie von Wohlfahrtsminister AburizalBakrie. Monatelang blieben die Behörden tatenlos.

Jeden Tag wächst die Gefahr, dass die Dämme brechen. Der ersteVersuch, den Schlamm in den Porong-Fluss zu leiten, ist gescheitert- zu zäh ist die Masse. Der zweite, das Loch mit Betonkugeln zufüllen, wurde gerade aufgegeben. Nun schlagen die Japaner vor, eine40 Meter hohe doppelwandigen Mauer um den Krater zu bauen, in derHoffnung, dass der Druck des Gewichts der darinentstehenden Schlammsäule den Strom versiegen lässt.

Von Kiflias einstigem Haus ragt nur noch ein Dachstuhlgerippe ausdem zähen grauen Brei. Junge Männer wie Saiful (26) waten für einpaar Rupien durch die Masse, um wenigstens die Dachpfannen noch zuretten. An manchen Stellen reicht ihnen der Schlamm bis zu denAchselhöhlen. Die Frage, ob das schädlich ist, stellt Saiful sichnicht. Er braucht das Geld. Er hat in einer der 25 Leder- undTextilfabriken in der Gegend gearbeitet, die auch im Schlammversunken sind. Seitdem ist er arbeitslos.

3000 Menschen sind seit fast einem Jahr im Marktgelände PasarPorong Baru zusammen gepfercht - drei Duschen, sechs Toiletten gibtes für alle. Sechs, acht Familienmitglieder leben in einem Verschlagso groß wie eine Autogarage. Die haben Glück, vier eigene Wände.Unter dem Marktdach leben hunderte zusammen. Ein paar Stoffbahnensind alles, was sie von Nachbarn trennt.

Wie's weitergeht, weiß niemand so recht. Lapinda will dieumgerechnet 50 Millionen Euro für den japanischen Schlammturm nichtberappen. Die Vertriebenen werden immer ungeduldiger. Sie fürchten,dass die Firma Pleite geht und sie trotz vieler Versprechen am Endein die Röhre gucken. Im vergangenen Jahr explodierte hier eineGasleitung, die halb im Schlamm versunken war und riss 13 Menschenin den Tod.

Chemie-Ingenieurin Lily Pudjiastuti spricht von einer«Zeitbombe». Es sei eine Frage der Zeit, bis das gesamte Gelände,ein Kreis mit vier Kilometern Durchmessern, einbricht. Geologenversuchen unterdessen mit riesigen Pumpen, den zähen Schlamm zuverflüssigen, um ihn vielleicht doch noch in Richtung Porong-Flussableiten zu können.