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ICE-Unglück in Eschede ICE-Unglück in Eschede: Gericht lehnt höheres Schmerzensgeld ab

18.09.2002, 08:56
Ein Modell des Unfallortes der ICE-Katastrophe in Eschede. (Foto: dpa)
Ein Modell des Unfallortes der ICE-Katastrophe in Eschede. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Rund vier Jahre nach der ICE-Katastrophe von Eschede bekommen Hinterbliebene der 101 Toten nach einem Urteil desBerliner Landgerichts kein höheres Schmerzensgeld. Die Zivilkammer gab am Mittwoch aber keine Begründung zu der Entscheidung ab. Richterin Elisabeth Seeburg sagte lediglich, die Klage sei abgewiesen. Sie verwies auf spätere schriftliche Erläuterungen. Zuvor hatte Seeburg jedoch in der kurzen Verhandlung erklärt, die DeutscheBahn AG habe bereits für jedes Todesopfer rund 15 000 Euro gezahlt.

«Es gibt auch in diesem traurigen Fall Grenzen der Rechtsprechung». Im ersten großen Zivilprozess um Hinterbliebenen-Forderungenhatten sechs Angehörige in einer Musterklage jeweils 125 000 Euro vonder Bahn AG verlangt. Bei dem schlimmsten Zugunglück in derGeschichte der Bundesrepublik waren am 3. Juni 1998 auch mehr als 100Menschen verletzt worden. Der ICE «Wilhelm Conrad Röntgen» war wegeneines gebrochenen Radreifens entgleist und gegen eine Brücke nahe demniedersächsischen Eschede geprallt.

Bahn-Anwalt Rainer Büsken sah die Position der Bahn bestätigt. DieFolgen seien «fair und in vernünftiger Weise» reguliert worden. DieBahn hat nach eigenen Angaben bislang 23 Millionen Euro fürSchmerzensgeld, Therapiekosten, Verdienstausfall und Arztrechnungenan die Angehörigen gezahlt. «Die Bahn steht auch zu weiterenZahlungen für Spätfolgen», sagte Büsken der dpa.

Derzeit müssen sich in einem Strafprozess in Celle drei Ingenieureverantworten. Sie sollen das Radsystem bei seiner Einführung nichtausreichend geprüft haben. Richterin Seeburg erklärte, es habe keinenAnlass gegeben, das dortige Strafverfahren mit einer Klärung derSchuldfrage in den Berliner Prozess einzubeziehen. Deshalb sei derProzess auch nicht bis zu einem Urteil in Celle ausgesetzt worden.

Hinterbliebenen-Anwalt Reiner Geulen sagte, es sei bedauerlich,dass die deutsche Justiz keine Verantwortung für die Opfer übernehme.Heinrich Löwen aus dem bayerischen Vilshofen, der bei dem UnglückFrau und Tochter verlor, will sich indes nicht zufrieden geben. «Ichwerde alle Wege weitergehen, bis ein Erfolg erreicht ist», sagte derSprecher der Selbsthilfe-Interessengemeinschaft Eschede der dpa.

Die Richterin hatte zum Prozessauftakt im Februar gesagt, dieZahlungen der Bahn von rund 15 000 Euro für jedes Todesopfer seienals Schmerzensgeld anzusehen. Nach deutschem Schuldrecht gebe eskeine Norm, Hinterbliebenen Schmerzensgeld zuzusprechen. Lediglichbei schweren gesundheitlichen Folgen sei dies möglich. Die Klägerhatten keine zusätzlichen ärztlichen Atteste vorgelegt.

Noch im Oktober soll laut Anwalt Geulen eine Klage aufSchmerzensgeld in den USA eingereicht werden. Eine Amerikanerin warbei dem Zugunglück verletzt worden. Ihrer Klage könnten sich deutscheBetroffene anschließen. In den USA können hohe Schmerzensgeldereingeklagt werden.