Wer hat Schuld? Holiday-Park Haßloch: Kind stirbt in Freizeitpark - Eltern suchen Antworten am Unglücksort

Haßloch/Frankenthal - Der Boden im Holiday-Park ist feucht, Regen fällt durch die Bäume im pfälzischen Haßloch - genau wie vor zweieinhalb Jahren, als dort die elf Jahre alte Amber starb. Im Karussell „Spinning Barrels“ (drehende Fässer) steht ihre Mutter und ringt um Fassung.
Sie schreitet den Weg ab, den sie mit ihrer Tochter am 15. August 2014 nahm, ehe das Fahrgeschäft das Mädchen erfasste und mehrfach überrollte. „Hier ist sie liegengeblieben“, sagt die Mutter und stockt. Als sie sich fassen kann, ergänzt sie: „Ich habe mich nicht getraut, sie anzufassen, ich wollte nach dem Puls gucken, aber ich wollte nicht noch mehr kaputtmachen.“
Holiday-Park Haßloch: Elfjährige wurde mehrfach von der Plattform überrollt
Hinter der heute 35-Jährigen aus Kelsterbach bei Frankfurt läuft ein ganzer Tross: Der Vorsitzende Richter am Landgericht Frankenthal, Uwe Gau, sowie Staatsanwälte, Anwälte, Justizbeamte, Prozessbeobachter und die beiden Angeklagten. Staatsanwaltschaft und die Eltern von Amber werfen den Mitarbeitern des Freizeitparks vor, nicht für ausreichend Sicherheit gesorgt zu haben. Das Tor zu dem Fahrgeschäft habe einfach offen gestanden, sagt die Mutter.
Das Mädchen war gestürzt und von den Plattformen tödlich verletzt worden. Das Amtsgericht in Neustadt an der Weinstraße stellte fest, dass der damals 22 Jahre alte Bediener die Tür zum Fahrgeschäft offengelassen hatte. Deswegen konnten Mutter und Tochter in das Karussell steigen, als dies nicht mehr vorgesehen war. Der Mann sagte, er habe die Tür geschlossen.
Die Ortsbegehung ist Teil des Berufungsprozesses. Der damalige Bediener des Karussells war im vergangenen Jahr in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist rechtskräftig. Zwei seiner Vorgesetzten wurden damals freigesprochen; sie stehen nun erneut vor Gericht. Es sind der Teamleiter, der den Bediener schulte, und der damalige und heutige Betriebsleiter.
Zuvor im Gerichtssaal 20 im Landgericht in Frankenthal sitzt die Mutter den Männern auf der Anklagebank direkt gegenüber, und nimmt die beiden ins Visier. Als Nebenklägerin darf sie Fragen stellen - und davon macht sie ausführlich Gebrauch. Wer hat das Handbuch für die Anlage erstellt, wer hat es ins Betreiberhaus reingelegt, wer rausgenommen? Funktionierte das Mikrofon?
Hunderte Seiten Unterlagen hat sie dafür studiert, rigoros geht sie einzelne Punkte durch, zitiert blaue und rote Handbücher und TÜV-Prüfungen. Müde und getrieben sieht sie aus - auf ihrem Laptop klebt groß ein blauer Koala, die Kinder-Zeichentrickfigur Stitch. Schließlich wirft sie dem Angeklagten an den Kopf: „Die Wartungs- und Betriebsvorschriften sind nicht beachtet worden.“
„Jeden Tag habe ich das Bild im Kopf, all das Blut“
Ob das Gericht das auch so sieht, und ob es daraus ableitet, dass die beiden Angeklagten der fahrlässigen Tötung schuldig sind, wird wohl nicht vor dem 22. März feststehen. Eine der Hauptfragen: Der Betriebsleiter ist für alles Mögliche von Tickets über die Einstellung des Personals bis zur Kanalisation zuständig - aber inwieweit muss er die Bediener der 24 Fahrgeschäfte überwachen? Und ist auch der Vorgesetzte schuldig, der den Bediener eingewiesen hat?
Den Vater des Kindes treibt um: „Sie haben nach dem Unfall den Park nicht geschlossen. Warum?“ Der Betriebsleiter - selbst zweifacher Vater - erklärt, der Bereich sei ja weiträumig abgesperrt worden. Die anderen Besucher hätten gar nichts von dem Unfall mitbekommen. Und außerdem habe er diese Entscheidung nicht selbst getroffen, sondern die Geschäftsleitung. Der Vater meint dazu: „Wenn jemand auf einer Party stirbt, dann tanzen die anderen Leute auch nicht einfach weiter.“
Während des stundenlangen Prozesses geht der Vater immer wieder die Kugeln an seinem Armband durch. Oft hat er den Kopf schwer auf die andere Hand gestützt. Er sagt, er denke dauernd an seine kleine Tochter und den Unfall. „Jeden Tag habe ich das Bild im Kopf, all das Blut.“ Es sei ein Kampf. „Es ist sehr schwer.“ (dpa)