Landesparteitag in Thüringen Höcke träumt von Wirtschaftsgemeinschaft bis Wladiwostok
Björn Höcke bleibt Chef seines als rechtsextremistisch eingestuften AfD-Landesverbands. Doch diesmal gab es einen Gegenkandidaten. In seiner Rede warb Höcke für einen russlandfreundlichen Kurs.
Arnstadt - Eine „Wirtschaftsgemeinschaft von Lissabon bis Wladiwostok“ und mehr Unabhängigkeit von den USA: Thüringens AfD-Chef Björn Höcke arbeitet sich in einer Parteitagsrede an Friedrich Merz, Mario Voigt (CDU) sowie der deutschen Außenpolitik ab und schwört seine Anhänger auf einen russlandfreundlichen Kurs ein.
„Rußland versteht sich als Gegenentwurf zur universalistischen Hegemonie der nichteuropäischen Weltmacht USA“, las Höcke bei einem Landesparteitag in Arnstadt aus einer Resolution vor. Die rund 300 Mitglieder nahmen sie an. „Von der guten Beziehung Deutschlands und Europas zu Rußland hängt der Friede in Europa ab“, steht darin - jedoch kein Wort dazu, dass Russland die Ukraine völkerrechtswidrig angegriffen hat. Stattdessen: „Seit fast drei Jahren führen die Ukraine und Rußland Krieg gegeneinander.“
Höcke wurde in Arnstadt als Chef des Landesverbands im Amt bestätigt. Auch Stefan Möller wurde als AfD-Co-Chef bestätigt. Der 52 Jahre alte Höcke bleibt in Thüringen, Spekulationen über einen Wechsel in die Bundespolitik hatte er schon vor Wochen beendet. Die Thüringer AfD wird vom Thüringer Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.
Wirtschaftsgemeinschaft „von Lissabon bis Wladiwostok“
In seiner Rede skizzierte Höcke ein „Europa, dessen Wirbelsäule von Paris über Berlin nach Moskau verläuft“. Er bezog sich nach eigenen Angaben dabei auf früheren französischen Staatsmann Charles de Gaulle. Er finde dessen Traum von einer „eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft, die von Lissabon bis Wladiwostok reicht“, attraktiv, so Höcke.
Die von den AfD-Mitgliedern verabschiedete Resolution wurde in deutscher, englischer und russischer Sprache präsentiert. Darin ist von einer „Abspaltung Russlands von Europa“ die Rede, die einem US-amerikanischen Kalkül folge, da die USA ihre Vormachtstellung in Europa nicht aufgeben wollten.
„Von der guten Beziehung Deutschlands und Europas zu Rußland hängt der Friede in Europa ab“, steht in der Resolution. Einem „us-amerikanischen Weltkonzept“ müsse ein europäisches entgegengestellt werden.
Höcke greift CDU-Chef Merz an
Höcke kritisierte die deutsche Außenpolitik und auch CDU-Chef Friedrich Merz. Wenn Merz Kanzler wird, werde dieser Taurus-Lieferungen an die Ukraine freigeben. Man müsse alles dafür tun, das zu verhindern. „Wir wollen keinen Krieg mit Russland“, rief Höcke und erntete Applaus.
Zudem griff er die neue Thüringer Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD an. Dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) warf Höcke vor, Friedenspositionen für „ein paar Ministersessel“ verraten zu haben.
Höcke greif Ministerpräsident Voigt an
Auch den Ministerpräsidenten Mario Voigt (CDU) attackierte er. Dieser habe der CDU „massiven Schaden zugefügt“. „Dieser Mann ist abhängig von linken Kräften“, sagte Höcke mit Blick auf Voigts Koalition, die im Thüringer Landtag 44 von 88 Sitzen hat und damit auf das Abstimmverhalten der Opposition angewiesen ist.
Voigt wurde am Donnerstag mit Hilfe von Linken-Stimmen im ersten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt. Teil der Vereinbarung ist, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD von Höcke gibt, die im Landtag die stärkste Fraktion stellt. Höcke nannte Voigt einen „Partei-Apparatschik“. Die neue Thüringer Landesregierung sei das Ergebnis „des reinen Machtwillens eines Mario Voigts“.
„Höcke“-Rufe und ein Gegenkandidat
Höckes AfD gilt in Thüringen als völlig isoliert und hat selbst seit Jahren keinerlei Machtoption. Die vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Partei wurde zwar bei der Landtagswahl im Herbst erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft. Doch keine der anderen im Landtag vertretenen Parteien will mit ihr zusammenarbeiten.
Höcke sagte in seiner Bewerbungsrede „in aller Bescheidenheit“, dass nicht Mario Voigt der wahre Ministerpräsident von Thüringen sei, „sondern dass ich der wahre Ministerpräsident von Thüringen bin“. Nach diesem Satz gab es „Höcke“-Rufe in dem Saal in Arnstadt.
Parteiausschlussverfahren gegen Höckes Gegner
Diesmal gab es einen Gegenkandidaten, den AfD-Bundestagsabgeordneten Klaus Stöber. Dieser nutzte seine Kandidatur für eine Abrechnung mit der Parteispitze des Thüringer Landesverbands. Wegen kritischer Kommentare gegen Höcke im Landtagswahlkampf läuft ein Parteiausschlussverfahren gegen Stöber.
Er werfe Höcke vor, sich gezielt mit Leuten zu umgeben, denen es nicht um das Land, sondern um ihre Karriere gehe, sagte Stöber in seiner Bewerbungsrede. Zudem stelle sich Höcke zu sehr in den Mittelpunkt. „Du hast ganz bewusst in deinen Reden Provokationen eingebaut, um bekannt zu werden.“ Das schade der Partei, sagte Stöber, der nur 14 Stimmen erhielt. Auf Höcke entfielen 220 Stimmen.
„Thüringer Tandem“ bei Bundestagswahl
Bei dem Landesparteitag, der formal aus zwei getrennten Veranstaltungen bestand, wählten die AfD-Mitglieder auch eine Landesliste für die Bundestagswahl. Auf Platz eins und zwei landeten der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner und der Thüringer AfD-Co-Chef Stefan Möller. Höcke nannte die beiden Kandidaten das „Thüringer Tandem“.
Höcke sagte, dass Brandner und Möller beide auf Listenplatz eins kandidieren wollten. Er selbst habe mit den beiden dann gesprochen. „Wir haben eine langfristige Zusammenarbeit verabredet.“ Die beiden würden de facto ein Spitzenduo im Wahlkampf bilden.
Höcke: Für Weidel als Kanzlerin vielleicht noch zu früh
Der parlamentarische Geschäftsführer der Thüringer AfD-Fraktion, Torben Braga, landete auf Platz drei.
Mit Blick auf die Kanzlerkandidatur von AfD-Bundeschefin Alice Weidel, sagte Höcke, für eine Bundeskanzlerin Alice Weidel sei es vielleicht „noch eine Legislatur zu früh“, aber er sei überzeugt, dass die AfD einen Riesenschritt in Richtung Regierungsverantwortung machen werde.