Strafvollzug Haftstrafe durch Arbeit verkürzen: Verschärfung geplant
Viele Straftäter landen im Gefängnis, weil sie eine Geldstrafe nicht zahlen können. Die Zeit in der Haft können sie durch Arbeit verkürzen - das soll aber schwieriger werden.
Berlin - Wer eine Geldstrafe nicht bezahlt, muss dafür nicht mehr so lange ins Gefängnis wie bislang. Diese Regelung gilt seit diesem Monat bundesweit - soll in Berlin aber eine Verschärfung an anderer Stelle nach sich ziehen. Verurteilte sollen künftig wieder mehr Stunden in der Haft arbeiten. Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) plant, eine Regelung aus dem Jahr 2021 rückgängig zu machen. Über das Thema soll bei der nächsten Senatssitzung an diesem Dienstag beraten werden. Kritiker befürchten, dass Betroffene Arbeitsprojekte hinter Gittern abbrechen und letztlich doch länger im Gefängnis bleiben.
Wie viele Tage jemand ins Gefängnis kommt, weil er eine Geldstrafe nicht zahlt, richtet sich nach der Anzahl von Tagessätzen. Bislang war das die volle Anzahl, seit Anfang des Monats muss nur noch die Hälfte der Tagessätze verbüßt werden. Eine weitere Reduzierung der Tage hinter Gittern ist möglich, indem Betroffene arbeiten. In Berlin entsprechen derzeit vier Stunden Arbeit einem Hafttag. Auf diese Stundenzahl hatte man sich 2021 geeinigt, weil Betroffene oft - etwa wegen psychischer Probleme oder einer Suchterkrankung - nicht in der Lage sind, länger zu arbeiten. Nun soll die Stundenzahl wieder auf sechs erhöht werden. Um eine „Doppelbegünstigung“ zu vermeiden, wie ein Sprecher der Senatsjustizverwaltung auf Anfrage erklärte.
„Die Justizsenatorin schadet mit dieser Vorlage der Justiz und den Gefangenen“, meinte Linke-Politiker Sebastian Schlüsselburg. „Eine beträchtliche Anzahl der Klienten ist nicht in der Lage, länger als vier Stunden pro Tag zu arbeiten“, heißt es in einem Positionspapier des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin. Die Reduzierung der Arbeitsstunden von sechs auf vier sei seinerzeit aus gutem Grund erfolgt, sagte Irina Meyer, die für die Straffälligen- und Opferhilfe zuständig ist.
„Politisch ist es das falsche Signal“, meinte Arne Semsrott, der mit dem Projekt „Freiheitsfonds“ Menschen aus der Haft freikauft, die eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen. Es sei gewollt, dass die Menschen in der Haft arbeiteten. Mit einer höheren Stundenzahl würden Anreize dafür verringert - und riskiert, dass es zu längeren Haftzeiten komme für Menschen, die eigentlich lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt worden seien.
Aus Sicht von Linke-Politiker Schlüsselburg würde eine Veränderung der Tilgungsverordnung, wie die Regelung formell heißt, zu einer Belastung des Vollzugs führen und den Steuerzahler unnötig Geld kosten. „Jeder Hafttag kostet uns etwa 220 Euro. Die Haftplätze brauchen wir nicht für Obdachlose oder hilfsbedürftige Menschen, sondern für echte Straftäter“, sagte er.
Laut Schlüsselburg befanden sich am 14. Februar 348 Menschen in Haft, die eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe verbüßten. Viele von ihnen wurden verurteilt, weil sie ohne Fahrschein Busse und Bahnen genutzt haben. Die Auslastung der Berliner Haftanstalten lag am selben Tag bei 86 Prozent. Laut Statistik waren 3712 der insgesamt 4328 Plätze belegt.