Berlin Grüne brechen Parteitag ab: Geht der Richtungsstreit weiter?
Die Berliner Grünen wollen ihren Landesvorstand neu wählen. Aber das klappt nicht. Der Parteitag wird daraufhin abgebrochen. Stehen die Grünen vor einem Richtungsstreit?
Berlin - Die Stimmung bei den Berliner Grünen ist gespannt bis gereizt. Den Parteitag hat der Landesverband am Samstag überraschend abgebrochen, nachdem bei den Wahlen zum Landesvorsitz die einzige Kandidatin Tanja Prinz zuvor durchgefallen war. Die 44-Jährige aus dem Kreisverband Tempelhof-Schöneberg erhielt bei der Landesdelegiertenkonferenz in Berlin-Moabit in drei Wahlgängen nicht die nötige absolute Mehrheit. Auf einen möglichen vierten Wahlgang verzichtete sie daraufhin.
Im letzten Wahlgang hatte sie 41 Ja-Stimmen bekommen - bei 104 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen. In den beiden Wahlgängen davor war die Zustimmung für sie noch geringer. Schon nach dem zweiten Wahlgang hatte es eine Unterbrechung gegeben, in der sich Prinz mit ihren Unterstützerinnen und Unterstützern beraten hatte, ob sie noch einmal antreten soll. Die Aussichten, die Delegierten noch umzustimmen, waren schon da gering. Prinz verabschiedete sich gleich nach der Abstimmung kurz angebunden: „Vielen Dank, frohe Weihnachten!“
Der bisherige Landesvorstand ist nach Grünen-Angaben weiter im Amt und voll handlungsfähig, bis ein neuer Vorstand gewählt ist. Das soll bei einer Fortsetzung des Parteitags geschehen, die für Mittwochabend geplant ist. Einem entsprechenden Geschäftsordnungsantrag des Landesvorstands stimmte eine deutliche Mehrheit der Delegierten zu.
Der Landesverband wird laut Satzung von einer Doppelspitze geführt, zu der mindestens eine Frau gehören muss. Bisher sind das Philmon Ghirmai, der zu den den Parteilinken gehört und Susanne Mertens vom Realo-Flügel. Ghirmai nannte das Ergebnis der Abstimmung ein deutliches Votum, das alle ernst nehmen müssten.
„Es ist eine Situation eingetreten, die sich niemand wünschen kann“, sagte Ghirmai. Er begründete den Antrag, den Parteitag zu unterbrechen, damit, die Wahl des Landesvorstands dürfe nicht übers Knie gebrochen werden. „Wir müssen reden.“ Timur Ohloff, ein Delegierter aus dem Kreisverband Mitte, kritisierte das Vorgehen. Es wäre besser gewesen, beim Parteitag eine Gegenkandidatin zu präsentieren, sagte er.
Prinz hatte in ihrer Rede auf dem Parteitag gefordert, das Kapitel Schwarz-Rot müsse möglichst schell beendet werden. Bei Franziska Giffey sei Wirtschaft nur noch Fotoshooting. Schwarz-Rot könne es nicht und plündere die Kassen. Die Grünen müssten Vertrauen gewinnen - „in der Innenstadt und draußen“, so die Reala aus Lichtenrade. „Es wäre mir eine Ehre, eure Landesvorsitzende zu werden“, endete sie. Bei den Delegierten drang sie aber nicht durch.
Die Frage, wer die Berliner Grünen künftig führen soll, sorgte schon in den vergangenen Wochen für viel Verunsicherung in der Partei. Dahinter steckt auch die Angst vor einem Richtungsstreit und innerparteilichem Zoff zwischen den verschiedenen Teilen der Partei, für den die Berliner Grünen vor Jahren berühmt-berüchtigt waren.
Die Linken innerhalb der Grünen, zu denen Ghirmai gehört, waren bei der Wiederholungswahl im Februar mit großer Mehrheit für die Fortsetzung der Koalition mit SPD und Linken. Teile der Realos, für die Tanja Prinz steht, hielten das für falsch. Prinz war dafür, sich mehr Koalitionsoptionen offen zu halten.
Ein weiterer ihrer Kritikpunkte: Aus ihrer Sicht blieben die Grünen bei der Wiederholungswahl mit 18,4 Prozent weit hinter ihren Möglichkeiten - ausgerechnet in Berlin. Und das sei eben kein Schicksal, sondern auch auf Fehler der Partei zurückzuführen.
Im Kern geht es um die Frage, worauf die Grünen bei der nächsten Wahl zum Landesparlament 2026 setzen wollen: auf die alten Bündnispartner? Oder auf Schwarz-Grün oder Schwarz-Grün-Gelb? Soll der Landesverband sich darauf einstellen, der nächste Partner von Kai Wegner zu werden? Vom jetzigen Regierenden Bürgermeister heißt es, er hätte schon im Februar gerne mit den Grünen koaliert - aber nicht rechtzeitig ein Signal für ernsthaftes Interesse von deren Seite bekommen.
Die Fragen sind weiter unbeantwortet, auch innerhalb der Realos gehen die Ansichten dazu auseinander. Das zeigte sich etwa im Konflikt zwischen Prinz und der bisherigen Vorsitzenden Susanne Mertens. Aus Sicht der Kritiker aus dem Realo-Lager hat Mertens zu wenig Profil gegenüber den Parteilinken gezeigt und zu sehr auf Konsens gesetzt.
Ende Oktober kündigte Prinz deshalb an, selbst für den Landesvorsitz an der Seite von Ghirmai zu kandidieren. Sie setzte sich bei einer Abstimmung des Realo-Flügels knapp gegen Mertens durch. Und die kündigte kurz darauf an, nicht mehr für das Amt kandidieren zu wollen.
Dass Prinz am Samstag so deutlich durchgefallen ist, zeigt, dass es in der Partei keine Mehrheit für einen klaren Kurswechsel gibt. Wo es für die Grünen lang gehen soll, muss die Partei nun klären. Die Fortsetzung der Landesdelegiertenkonferenz ist die erste Gelegenheit dafür.