EU Grüne bei Europawahl in Berlin trotz Verlusten vor CDU
Viel Ernüchterung oder gar lange Gesichter nach der Europawahl in Berlin. Richtig freuen kann sich eigentlich nur eine neue politische Größe.
Berlin - Verluste für Grüne, SPD und Linke, Zugewinne für CDU und AfD sowie aus dem Stand fast neun Prozent für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW): Bei der Europawahl in Berlin hat am Sonntag praktisch keine der etablierten Parteien ein Ergebnis zum Jubeln eingefahren. Dagegen sorgte mit dem BSW eine neue politische Größe für ein erstes Achtungszeichen, obwohl die Partei bisher noch keinen Berliner Landesverband gründete.
Nach Auszählung von gut 97 Prozent der Wahllokale wurden die Grünen mit 19,4 Prozent stärkste Kraft, verloren aber wie auf Bundesebene stark. Bei der Wahl im Jahr 2019 hatte die Partei in Berlin mit 27,8 Prozent noch ein historisch gutes Ergebnis erzielt. Es folgen CDU, SPD, AfD, BSW und Linke.
Die CDU des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner konnte sich laut dem Zwischenergebnis leicht auf 17,5 Prozent verbessern (2019: 15,2). Gemessen am klaren Sieg bei der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus 2023 mit 28,2 Prozent ist das aber ein deutliches Minus, zumal die Union auf Bundesebene laut Hochrechnungen am Sonntag bei etwa 30 Prozent landete.
Für die Berliner SPD ging es - diesmal wohl auch im Sog des negativen Bundestrends für die Ampel - weiter nach unten. 13,2 Prozent am Sonntag (2019: 14,0) ist ihr bis dato schlechtestes Ergebnis bei Europawahlen in Berlin. Die AfD legte zwar auf 11,7 Prozent zu (2019: 9,9), erreichte aber bei weitem nicht die Stärke wie in anderen Ostländern.
Das erstmals angetretene BSW fuhr in Berlin aus dem Stand 8,7 Prozent ein. Die Linke kommt mit deutlichen Verlusten auf nur noch 7, 3 Prozent (2019: 11,9). Dass diese historisch schlechte Resultat noch etwas besser war als ihr Bundesergebnis, kann die Partei kaum trösten. Die nicht im Landesparlament vertretene FDP kam auf 4,3 Prozent (2019: 4,7).
Auf Bundesebene gewannen CDU und CSU die Europawahl in Deutschland nach den frühen Zahlen mit großem Abstand, die AfD wurde zweitstärkste Kraft. Dahinter rangieren SPD, Grüne und mit weitem Abstand FDP und Linke.
In ersten Reaktionen blickten Vertreter der Berliner Parteien vor allem auf dieses Bundesergebnis. CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein äußerte sich erfreut über den prognostizierten Wahlsieg der Union. „Die Menschen haben sich damit erneut für ein starkes Europa mit einer starken politischen Mitte ausgesprochen.“ Die Berliner Grünen zeigten sich hingegen nicht zufrieden. „(...) Ohne Zweifel hätten wir uns mehr von diesem Abend und für Europa erhofft“, erklärten die Landesvorsitzenden Nina Stahr und Philmon Ghirmai.
„Das Ergebnis ist für die SPD sehr bitter und enttäuschend“, erklärten die neuen SPD-Landesvorsitzenden Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel. „Das Ergebnis ist für uns Ansporn, unser inhaltliches Angebot an die Berlinerinnen und Berliner neu aufzustellen, um Vertrauen zurückzugewinnen.“
Die AfD-Landesvorsitzende Kristin Brinker wertete das Abschneiden ihrer Partei in Berlin positiv. „Die AfD hat zugelegt und ein zweistelliges Ergebnis eingefahren“, sagte sie. Das zeige: Die Wähler ließen sich nicht beirren von durchsichtigen Kampagnen gegen ihre Partei.
„Das Ergebnis für die Linke ist desaströs, da gibt es nichts zu beschönigen“, kommentierte ihr Landeschef Maximilian Schirmer vor allem mit Blick auf das bundesweite Ergebnis. Die Linke müsse daraus Konsequenzen ziehen und sich inhaltlich und personell neu aufstellen.
Entsetzt zeigten sich CDU, SPD und Linke über das bundesweite Abschneiden der AfD, die in Ostdeutschland stärkste Partei wurde. „Wir erleben einen dramatischen Rechtsruck, dem wir uns konsequent entgegenstellen werden“, sagte Schirmer. „Dass trotz der zahlreichen Skandale so viele Menschen die in Teilen offen rechtsextreme AfD gewählt haben, ist erschreckend“, meinten Böcker-Giannini und Hikel. CDU-Generalsekretärin Klein sagte: „Äußerst bedenklich ist der Stimmengewinn bei den Gegnern Europas, AfD und BSW.“
Rund 2,5 Millionen Menschen waren in der Hauptstadt zur Europawahl aufgerufen, darunter erstmals auch schon 16- und 17-Jährige. Es war bereits der vierte Wahlgang innerhalb von knapp drei Jahren. Zwar betrifft die Wahl zum Europäischen Parlament, die in der gesamten EU stattfand, nicht direkt die Berliner Landespolitik. Sie galt aber nach gut 13 Monaten Schwarz-Rot als Stimmungstest. 34 Parteien standen auf dem Stimmzettel (2019: 40).
Bei der Wahlbeteiligung deutete sich nach Zahlen vom Nachmittag ein etwas höherer Wert als 2019 an. Damals hatten 60,6 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben - das war der bis dato höchste Wert bei Europawahlen in Berlin (Bund: 61,4 Prozent). Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es am Sonntag laut Landeswahlleiter Stephan Bröchler nicht.