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Größte Samenbank der Welt Größte Samenbank der Welt: Däne betreibt «positive Rassenhygiene»

26.01.2006, 10:30

Arhus/dpa. - Je nach Kontostand schaut «Jens», der seinenwirklichen Namen weder nennen will noch darf, ein, zwei Mal die Wochebei der größten Samenbank der Welt in Arhus vorbei, um sieaufzufüllen. Der 25-jährige Pädagogikstudent mit schon leichtschütterem blonden Haar nimmt an der Rezeption im 250 Quadratmetergroßen Hauptquartier der «Cryos International Spermbank Ltd.»schweigend einen Plastikbecher in Empfang und schließt sich in einenkleinen Raum mit Porno-Fernsehen und Heftchen ein. Ein paar Minutenspäter liefert er das gefüllte Becherchen ab, schwingt sich auf seinFahrrad und freut sich auf eine Überweisung.

«Jens» lacht bei der Frage, ob er sich auf denReklamebeschreibungen von Cryos für Kundschaft in den USAwiedererkennt. Da ist viel von blonden, blauäugigen «Vikings» mitkräftigem Körperbau, akademischem Erfolg und freundlichem Wesen dieRede. Auf die käuflichen Erbanlagen eines «Arnt» macht man derKundschaft in den USA so Appetit: «Arnt ist ein ausgesprochenstattlicher junger Mann. Er hat ein sehr schön proportioniertesGesicht mit wunderschönen Augen und einer schmalen Nase. Er istäußerst athletisch, ein aktiver Jogger, der oft in Trainingskleidungins Labor kommt. Er macht beim Gespräch einen guten Eindruck undscheint über ausgeprägten Humor zu verfügen. Sein Jurastudium wird erdemnächst abschließen.» «Dane» scheint andere genetische Qualitätenauszustrahlen: «Unsere Laborantinnen sagen, sie würden ihn wählen,wenn sie sich jemals für einen der Spender entscheiden müssten.»

In Dänemark, Deutschland und Europa generell ist dieBereitstellung von Spendersamen zur künstlichen BefruchtungKinderloser strenger ärztlicher Kontrolle unterworfen. Jenseits desAtlantiks aber können konventionelle oder lesbische Ehepaare undallein stehende Frauen selbst wählen. Deren Interesse anSamenspendern mit «nordischen» Genen und die Spendenwilligkeit jungerdänischer Männer hat Cryos mit seinen 210 Spendern zur größtenSamenbank der Welt gemacht.

«Dabei nehmen wir bei einem aufwendigen Auswahlprozess nur etwa 15 Prozent der Spendenwilligen», berichtet Firmengründer Ole Schou. Dasser das so herausstellt, hat seinen Grund: «In den USA fühlen sich dieKinderlosen nicht als Patienten, sondern als Kunden mit hohenAnsprüchen.»

Um den Wunsch der Kundschaft nach möglichst eingehender Kenntnisvon Erbanlagen bei künstlicher Befruchtung zu erfüllen, lässt dieSamenbank jeden Spender ausführliche Fragebögen ausfüllen. Die jungenMänner geben hier Auskunft über ethnische Herkunft, Beruf,Augenfarbe, dicke, dünne oder mittelkräftige Haare, Allergien,Frequenz des Herzschlages, Tönung der Haut, genetische Defekte,Leistungsstand an der Uni, berufliche Ziele, Militärzeit, Hobbys,Freundin oder Ehefrau, sportliche Aktivitäten, Zugehörigkeit zu einerKirche, Lieblingsfarbe, -essen, -auto und -haustier. Und und und. DieListe mit Fragen ist unendlich lang.

Musikalität der Eltern wird ebenso abgefragt wie derenSprachkenntnisse und Berufsausbildung. Auch über das Alter, denKörperbau und Herzzustand aller vier Großeltern geben die dänischenSamendonatoren potenziellen Empfängern Auskunft. Am Ende findet sicheine handschriftliche Antwort auf die Frage nach der Motivation desjeweiligen Spenders. «Am wichtigsten ist für mich der Gedanke, einerFamilie zu helfen», heißt es in einem fiktiven Musterfragebogen, denauf der Cryos-Internetseite (www.scandinaviancryobank.com) jedereinsehen kann.

Wer sich im Glauben an optimale Erbanlagen für den eigenenNachwuchs aus den echten 210 Fragebögen das Passende aussuchen will,muss für sechs Monate Zugang zur Datenbank 25 Dollar zahlen. Fürweitere 20 Dollar gibt es das Foto eines in Frage kommenden Spendersals Baby. Für 75 000 Dollar kann die Kundin das weltweit exklusiveRecht auf die Spermien eines bestimmten Dänen kaufen. Wer nichtsgegen allerlei biologische Halbbrüder und -schwestern irgendwo aufdem Globus hat, muss in den USA je Befruchtungsröhrchen Made inDenmark 75 Dollar überweisen - drei bis vier Mal so viel wie imHerkunftsland selbst.

Firmenchef Schou kommt nach Erläuterung des Systems ohne Scheudirekt zur Sache, wenn es um ethische Fragen geht: «Früher war ichgegen diese Form von positiver Rassenhygiene. Inzwischen finde ich,dass es völlig in Ordnung ist, wenn einzelne Menschen positive Zügegenetisch fördern wollen. «Positive Eugenik» nennt der freundlicheDäne das Ganze auch gerne. Dem deutschen Fragesteller, der beisolchen Begriffen sofort an die mörderische Auffassung derNationalsozialisten von Rassenhygiene, Euthanasie und die «positiveFörderung genetischer Züge» in SS-Zuchtanstalten denkt, versicherter: «Was wir hier machen, ist ja nicht von der Gesellschaftvorbestimmt. Früher war ich auch gegen das, was in den USA erlaubtist. Aber jetzt finde ich, dass das Individuum selbst entscheidensoll.»

Das dänische System, dem das deutsche im Grundsatz entspricht, seiviel «diktatorischer», meint der 51-Jährige. Hier darf beikinderlosen Paaren überhaupt nur der behandelnde Arzt in Kontakt mitder Samenbank treten. Dieser soll bei der Auswahl des Spendersausschließlich Haut-, Augen- und Haarfarbe sowie Größe und Gewicht imSinne einer «familiären und ethnischen Gleichheit» in Betrachtziehen.

«Eigentlich habe ich erwartet, dass Europa sich in Richtung USAentwickelt. Das ist aber absolut nicht so,» seufzt der«Bankdirektor». Aber auch mit den strengen europäischenVerteilungsregeln und drohenden Verschärfungen durch EU-Direktivenkann er offenbar gut leben, die Samenspenden über Ärzte in insgesamt48 Länder liefern und so Gewinn erwirtschaften.

Viel größere Sorgen muss sich Schou um die zweite permanentumstrittene Voraussetzung für sein Geschäft machen. «Wenn ich alsSpender nicht mehr total anonym bleibe, komme ich nicht mehr, das istschon mal völlig klar», sagt Samenspender «Jens». Er wolle unterkeinen Umständen das Risiko eingehen, dass irgendwann ein fremderjunger Mensch auf der Suche nach dem biologischen Vater vor derHaustür stehe.

Schou meint, dass 80 bis 90 Prozent seiner Samenspender, die meistan der Uni in Arhus studieren, nicht mehr «ihr Bestes» geben würden,wenn der Gesetzgeber in der Hauptstadt Kopenhagen dem Beispiel derNachbarländer Deutschland, Schweden und jüngst auch Großbritannienfolgen würde. Dort haben aus künstlicher Befruchtung entstandeneKinder gesetzlich das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen dieIdentität ihres biologischen Vaters zu erfahren.

In Dänemark sind die Mehrheiten sowohl im Folketing wie auch imEthikrat der Ärzteschaft knapp. «Das Thema ist ein Dauerbrenner, dieLage kann sich auch bei uns schnell ändern», seufzt Schou. So langeaber Dänemark die Insel der selig anonymen Spermienlieferantenbleibt, kann er sich aber über jedes Land mit anderen Regelungenfreuen, weil dort nicht genug Spender aufzutreiben sind: «Deutschlandist ein ganz wichtiger Absatzmarkt für uns.» Nach Angaben desdeutschen Arbeitskreises Donogene Insemination, der auf dieBehandlung mit Spendersamen spezialisiert ist, entstehen inDeutschland jährlich etwa 1000 Kinder durch gespendeten Spermien,seit 1970 waren es insgesamt rund 70 000.

Wenn die Dänen doch dem europäischen Trend folgen und die völligeAnonymität der Spender aufheben, wäre das laut Schou nicht das Ende:«Dann werden wir unsere Produktion eben outsourcen.» Das klingt abernicht sonderlich optimistisch. Es sei ganz schön schwer, meint Schou,Spender mit anderem ethnischen und kulturellen Hintergrund zugewinnen, die seinen Vorstellungen entsprechen. «So wollte hier malein Schwarzafrikaner mit uns um den Preis für seine Samenspendefeilschen. Der hatte nicht kapiert, dass das nicht in unsere Kulturhier passt.»

«Jens» hat kapiert. Klaglos berichtet er, dass die Gage jeSamenspende von der Firma neuerdings nach einem schwerdurchschaubaren System von diversen Qualitätsmerkmalen abhängiggemacht worden sei. Früher habe man einfach umgerechnet 80 Euro (500Kronen) je Lieferung bekommen, dann sei der Preis auf 125 Kronenabgestürzt und nun wieder auf etwa das Doppelte gestiegen, allerdingsseien die Preise eben leider recht kompliziert und schwankend. Dasser als Däne in einem echten Niedriglohnland seinem Nebengewerbenachgeht, ist eine Neuigkeit für ihn.

Wie viele Kinder aus seinen vielen Samenspenden tatsächlichentstanden sind, weiß «Jens» auch nicht. In Schous Datenbank istbisher der Rekord von 101 biologischen Vaterschaften eines Spendersfestgehalten. Jens interessieren andere Zahlen. Er rechne im Schnittmit einer Überweisung von umgerechnet 550 Euro alle drei Monate. Dassei doch für einen Studenten ein erhebliches Zubrot. Im Gesprächräumt er freimütig ein, dass er wie viele ein bisschen langsam beimStudium sei und es mit dem Zeitpunkt des Abschlusses nicht so genaunehme. Man würde gern nachlesen, was die US-Kundschaft auf ihrerSuche nach den Super-Genen dazu im Fragebogen erfährt.