Großbritannien Großbritannien: Neidische Blicke auf die Gärten der Reichen

London/dpa. - Hier gibt es keine Klassenunterschiede. Ballspiele sind ebensoerlaubt wie Radfahren, zumindest auf den ausgewiesenen Wegen. Im Grasdarf gepicknickt werden und, wer es vornehmer möchte, mietet sicheinen Liegestuhl. Kaum ein Besucher-Auge fällt deshalb auf dieexklusiven Gärten der Reichen ganz in der Nähe.
Die privaten Parks gehören zu den Top-Wohnadressen in London -etwa zwischen Hyde Park Corner und Sloane Square im vornehmenStadtteil Belgravia. Fernsehzuschauern ist dieses Adelsquartier durchdie TV-Serie «Das Haus am Eaton Place» aus den 70er Jahren bekannt.In den Stadtpalästen des Belgravia-Viertels - Grundbesitzer ist dieAdelsfamilie Grosvenor - wohnen heute nur noch wenige Privatleute.Nicht weniger begehrt sind indes die sogenannten mews, pittoreskeHinterhöfe, in denen sich früher Stallungen befanden und dasDienstpersonal wohnte. In den ehemaligen Adelshäusern residierenheute vor allem Botschaften, so auch die Deutsche Botschaft mit Blickauf den Belgrave Square.
Eines haben alle diese Parks, die von hohen Gittern umgeben sind,gemeinsam. Zugang hat nur, wer einen Schlüssel besitzt, um die Tür zuden «privaten Gärten» zu öffnen. Tagsüber sind häufig «Nannies» zusehen, die die ihnen anvertrauten Kinder und Babys unter den Bäumenspazieren fahren. Für die Benutzung gelten strenge Regeln - wie ineinem britischen Club, wo das Wissen der Gentlemen um schicklicheUmgangsformen vorausgesetzt wird. Was sich in den «private gardens»gehört, wichtiger noch, was sich nicht gehört, verkünden Schilder amEingang und entlang der Eisengitter.
Fünf sind es am Belgrave Square, mit denen «The Grosvenor Estate»die Besucher «willkommen» heißt: 1.) Zugang nur für registrierteSchlüsselbesitzer, 2.) Schließen Sie die Türen, 3.) Kinder unter zehnJahren müssen von einem Erwachsenen begleitet werden, 4.) KeineBallspiele, Radfahren oder andere geräuschvolle Aktivitäten, 5.)Pflanzen dürfen nicht gepflückt werden. Im benachbarten Cadogan-Parkist es ganz schnörkellos eine Liste mit fünf «No's»: Keine Hunde,kein Radfahren, keine Ballspiele, keine Musik, kein Vandalismus.
Die exklusive Ruhe dieser Wohnviertel leistet sich, wer es kann.In der Nähe des Bryanston Square, unweit der bekannten LondonerEinkaufsstraßen Oxford Street und Baker Street, sollen PopstarMadonna und ihr Mann Guy Ritchie wohnen. Am Connaught Square habensich Ex-Premier Tony Blair und seine Frau Cherie im Jahr 2004 für3,65 Millionen Pfund (heute rund 4,6 Millionen Euro) eingekauft. Vordem Haus stehen zwei Polizisten in schwarzer Uniform Wache.
Sehr zum Missfallen vieler Anwohner hat die Verwaltung der City ofWestminster ein Auge auf die exklusiven Gärten geworfen. Der Grund:Dem Bezirk, in dem sich mit Big Ben, Buckingham Palace, WestminsterAbbey und vielen anderen die meisten touristischen Sehenswürdigkeitender britischen Hauptstadt befinden, mangelt es an Freiflächen. Aufjeweils 1000 Bewohner kommt gerade einmal ein halber Hektar, wenigerals ein Drittel dessen, was sich die Bezirksregierung zum Zielgesetzt hat. Sie möchte deshalb erreichen, die Gärten der Reichen fürdie Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Doch die rechtlichen Möglichkeiten des City Councils vonWestminster sind begrenzt. Die Parks einfach zu übernehmen gehtnicht. Man werde deshalb versuchen, die Anwohner mit «finanziellenKarotten» zu locken, sagte jüngst Vizebürgermeister Robert Davies derbritischen Zeitung «Times»: Öffentliche Zuschüsse zur Unterhaltungder Gärten gegen freien Zugang. Der Council wäre schon froh, sagtDavies, wenn die Öffentlichkeit einen begrenzten Zugang zugestandenbekäme.
Dass selbst dies nicht einfach sein dürfte, zeigen entrüsteteReaktionen der Anwohner. Für sie ist allein die Vorstellung, dassdemnächst Trunkenbolde auf ihren Parkbänken sitzen und Frauen obenohne sonnenbaden könnten, ein Alptraum. «Dies ist unser Park», sagteiner von ihnen, der seit 15 Jahren am Dorset Square wohnt. «KönnenSie sich die Empörung vorstellen, wenn Leute ihre Hinterhöfe öffnensollten?» Das Ansinnen der Stadtverwaltung sei «mindestens ebensolächerlich». Ein Nachbar am Connaught Square ist nicht wenigerentrüstet. Sein Gegenargument spiegelt das Standesdenken der Bewohnerrund um die Gärten der Reichen wieder: «Für die anderen ist doch imHyde Park genug Platz.»