Glaube Glaube: Autobahnkirchen sind gefragt
Windach/München/dpa. - Mehr als 70 000 Fahrzeuge rasen am Tag laut AutobahndirektionSüdbayern an der Autobahnkirche «Maria am Wege» in Windach an der A96 vorbei. Schon auf dem schneebedeckten Vorplatz am Eingang ist derAutolärm kaum noch zu vernehmen. In der Kirche selbst: Stille! «Ichwill hier einfach mal inne halten», sagt Besucher Willi Heinisch (47) aus dem Allgäu. Er ist auf dem Weg von München nach Kempten und hatangehalten, «um kurz Ruhe zu finden».
Die katholische Autobahnkirche zwischen Landsberg am Lech undMünchen ist eine von 35 Autobahnkirchen und -kapellen in Deutschland.Und es werden mehr. Derzeitige Ideen für neue Kirchenstandorte:Trockau an der A 9, St. Paul in Wittlich an der A 1 sowie Wilpartingan der A 8. Laut «Akademie Bruderhilfe-Pax-Familienfürsorge» inKassel, die auf Bundesebene für die Autobahnkirchen zuständig ist,sind von den 35 Kirchen 17 evangelisch, 12 ökumenisch und 6katholisch. Doch sie stehen für jeden offen. Die Kirchen sind«interreligiös», sagt Geschäftsführer Günter Lehner.
Der steinerne Altar des Gotteshauses an der A 96 steht in derMitte der runden Kirche, am tiefsten Punkt. Darüber ragt daszeltförmige Dach in die Höhe. Die Sonne scheint durch die breitenFenster. Auch als Pfarrkirche für die Gemeinde Windach dient dieschlichte Kirche. Deshalb finden an Sonn- und Feiertagen sowie amVorabend auch Gottesdienste statt, das ist aber nicht in allenAndachtsstätten an den Autobahnen der Fall.
Autobahnkirchen und -kapellen müssen nach einem Beschluss derjährlichen Konferenz der Autobahnkirchenpfarrer beispielsweise einedirekte Anbindung an die Autobahn haben, Parkplätze und sanitäreAnlagen zur Verfügung stellen, Mindestöffnungszeiten erfüllen. Vielehaben rund um die Uhr geöffnet - «Maria am Wege» täglich von 8 bis 18Uhr. «In den typischen Ferienzeiten nutzen das rund 70 Leute am Tag»,sagt der zuständige Pfarrer Robert Neuner. Bundesweit zählen dieKirchen nach Angaben von Günter Lehner jedes Jahr rund eine MillionBesucher. Die Zahlen beruhen auf einer Hochrechnung der Konferenz.Lehner: «Wir haben Stammgäste, die aus Gewohnheit kommen.» AuchPendler und Ferienreisende zählen zu den Kirchenbesuchern.
Das Ehepaar Gebert kommt öfter in Windach vorbei. Von ihrer Heimatin Oberschwaben bis München markiert die Autobahnkirche etwa dieHälfte der Strecke. «Wenn wir Luft haben, machen wir immer einenHalt. Von der Autobahn ist die Kirche ganz bequem zu erreichen», sagtUlrich Gebert (56). Sie halten oft an, kennen viele Autobahnkirchen.«Ich bitte dann immer für die Fahrt, dass wir gut ankommen oder ichsage danke, dass wir eine gute Fahrt hatten», sagt Ingrid Gebert(51). Pfarrer Neuner sagt: «Die Leute wollen raus aus der Hektik derStraße und der Welt.» Dabei seien die Besucher bunt gemischt.
«Es kommen junge Leute und alte. Auch viele, die zu Hause den Wegin die Kirche nicht finden», sagt Pfarrer Neuner. Eine Studie zuAutobahnkirchen der Katholischen Fachhochschule in Freiburg zeichnetein anderes Bild: Die Kirchenbesucher sind meist männlich,verheiratet, um die 50 Jahre alt und katholisch. In der Regel findensie zehn bis 15 Minuten Ruhe. Auch nutzen viele die Gelegenheit eineKerze anzuzünden oder in das Fürbittbuch zu schreiben. In derWindacher Autobahnkirche hat auch Willi Heinisch in das Buchgeschrieben: «Danke, dass ich jetzt hier vor dem Altar stehe undnicht neben einem verunglückten Auto am Straßenrand».