Kinderbetreuung Gewerkschaften legen sich auf unbefristeten Kita-Streik fest
Der Konflikt über die Lage an städtischen Berliner Kitas eskaliert. Ab Montag brechen schwere Zeiten für viele Eltern und ihre Kinder an. Die Bildungssenatorin macht den Gewerkschaften Vorwürfe.
Berlin - Der schon seit langem schwelende Konflikt um die Arbeitsbedingungen an Berliner Kitas eskaliert: Wegen eines unbefristeten Streiks in den kommunalen Kitas können Tausende Berliner Eltern ihre Kinder dort ab kommende Woche nicht mehr betreuen lassen - und das auf unbestimmte Zeit. Die Gewerkschaften Verdi und GEW teilten mit, dass der vor einigen Tagen angekündigte Ausstand nun definitiv am Montag beginnen wird.
„Der Senat verweigert Verhandlungen zu verbindlichen Maßnahmen für pädagogische Qualität und Entlastung in den Kita-Eigenbetrieben“, erklärte Verdi-Landesbezirksleiterin Andrea Kühnemann. „Mit seiner unkonstruktiven Haltung provoziert der Senat den Streik und trägt damit die Verantwortung für die Belastung der Eltern und Kinder.“ Ähnlich äußerte sich die GEW-Landesvorsitzende Martina Regulin. „Wir gehen in den unbefristeten Streik, um den Senat an den Verhandlungstisch zu bewegen“, erklärte sie.
Gegenseitige Vorwürfe
Bildungs- und Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) nannte das Vorgehen von Verdi und GEW bedauerlich und unverständlich und wies die Vorwürfe zurück. In Gesprächen mit Gewerkschaftsvertretern habe Berlin viel Entgegenkommen gezeigt und sei bereit, substanzielle Angebote zu machen.
Dazu gehöre die Anerkennung der angespannten Situation an Kitas sowie die Bereitschaft, über wirksame, verlässliche und rechtssichere Entlastungsregelungen für Erzieher zu verhandeln. Doch die Gewerkschaften setzten auf Eskalation und trügen die alleinige Verantwortung für die Folgen. Das Land behalte sich in dem Zusammenhang auch rechtliche Schritte vor.
Notbetreuung geplant
Günther-Wünsch kündigte im Abgeordnetenhaus an, dass kommunale Kitas trotz des Streiks einen Teil ihrer Kinder betreuen. „Ich kann Ihnen sagen, dass es den Eigenbetrieben möglich sein wird, deutlich über zehn Prozent Notbetreuung anzubieten“, so die CDU-Politikerin. „Aber ich sage auch, es wird deutlich unter 100 Prozent sein.“
Im Fokus stehen dabei Kinder mit besonderem Betreuungsbedarf, von Eltern mit systemrelevanten Berufen oder Alleinerziehenden. „Oberstes Ziel“ sei es, Berliner Familien trotz Streiks die bestmögliche Betreuung für ihre Kinder anzubieten, so Günther-Wünsch. Darüber liefen nun Gespräche, die Kita-Leitungen informierten auch die Eltern und bezögen diese in die Planungen ein.
Nur ein Teil der Kitas vom Streik betroffen
Der Streik betrifft bei weitem nicht alle der rund 2.900 Kitas in der Stadt. Lediglich knapp zehn Prozent gehören zu sogenannten kommunalen Eigenbetrieben. Dort betreuen rund 7.000 Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere Beschäftigte nach neuesten Zahlen der Bildungsverwaltung 32.000 Kinder - rund ein Fünftel aller Berliner Kita-Kinder. Die übrigen Einrichtungen werden von freien Trägern betrieben, die nicht bestreikt werden.
Konflikt schwelt schon länger
Die Gewerkschaften Verdi und GEW fordern vom Senat schon seit längerer Zeit, mit ihnen einen Tarifvertrag zur Entlastung der Beschäftigten städtischer Kitas und für bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Dort sollen unter anderem Regelungen zu Gruppengrößen und zum Ausgleich von Belastungen verankert werden.
Viele Erzieherinnen und Erzieher arbeiteten permanent am Limit, seien überlastet und deshalb häufig krank, so die Gewerkschaften, die für ihr Anliegen schon mehrfach zu befristeten Streiks aufgerufen hatten, an denen sich jeweils um die 3.000 pädagogische Beschäftigte beteiligten. Zuletzt signalisierte Verdi, dass man nicht auf einem Tarifvertrag beharrt, wenn es auch andere Lösungen im Sinne der Beschäftigten gibt.
Senat sieht keine Möglichkeit für eigenen Tarifvertrag
Der Senat lehnte Tarifverhandlungen mit Verweis auf die Mitgliedschaft Berlins in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder bisher ab: Die Hauptstadt könne hier keinen Sonderweg gehen. Günther-Wünsch wies auch auf den Fachkräftemangel hin.
Um die Forderungen von Verdi & Co. zum Betreuungsschlüssel und zu weiteren Entlastungen zu erfüllen, würden 4.000 zusätzliche Beschäftigte gebraucht, die schlicht nicht vorhanden seien. „Das ist der blanke Hohn“, so Günther-Wünsch zu den Forderungen. Dennoch sei man weiter bereit, über Lösungen zu sprechen. Klar sei aber auch: In Berliner Kitas gebe es keinen „Flächenbrand“, vielmehr „Herausforderungen“ an einzelnen Standorten.
Debatte im Abgeordnetenhaus über Streik
Der anstehende Streik sorgte auch im Berliner Abgeordnetenhaus für Streit. „Ich halte dieses Vorgehen von Verdi im höchsten Maße für illegitim, unangemessen und verantwortungslos“, sagte CDU-Fraktionschef Dirk Stettner. Leidtragende seien Eltern und Kinder, aber auch die Beschäftigten, die von Verdi instrumentalisiert würden.
Die Grünen-Abgeordnete Marianne Burkert-Eulitz stellte sich hingegen hinter die Gewerkschaften: Ihre Forderungen seien berechtigt. Die Linke pflichtete dem bei. Die SPD forderte mehr Anstrengungen zur Gewinnung von Kita-Erziehern und für bessere Ausbildung. Die AfD machte die Migration für die angespannte Lage an manchen Kitas verantwortlich.