Geschäftsführer angeklagt Ex-Geschäftsführer gesteht Skandale bei Elsflether Werft
Die juristische Aufarbeitung der Skandale rund um die Elsflether Werft geht weiter. Nun packt ein ehemaliger Geschäftsführer vor Gericht aus.
Oldenburg/Elsfleth - Es geht um Millionen, einem Streit ums Erbe und krumme Geschäfte mit der Marine: Ein ehemaliger Geschäftsführer hat in einem weiteren Prozess um die Skandale bei der Elsflether Werft ein Geständnis abgelegt. „Ich hätte es unterbinden müssen und das habe ich nicht getan“, sagte der Angeklagte zum Prozessauftakt am Landgericht Oldenburg. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 36-Jährigen Beihilfe zur Vorteilsgewährung, unerlaubtes Betreiben von Bankgeschäften und Untreue vor.
Ursprünglich sollte der ehemalige Geschäftsführer schon Mitte April vergangenen Jahres mit sechs anderen Angeklagten vor Gericht stehen. Aus gesundheitlichen Gründen trennte das Landgericht das Verfahren gegen den Mann noch vor Prozessbeginn ab. Ihm werden nun zwei Anklagen zur Last gelegt. Es sind so viele Zahlen und illegale Geschäfte, dass die Staatsanwaltschaft zu Prozessbeginn nur Ausschnitte daraus vortrug.
Laut Anklage soll der 36-Jährige bei einer Gefälligkeit an einen Geschäftspartner beteiligt gewesen sein. Der Kostenprüfer der Marine habe dringend Geld für ein Immobiliengeschäft gebraucht und seine Vertrauten bei der Werft um Unterstützung gebeten. Der Angeklagte soll geholfen haben, dem Mann ein Darlehen in Höhe von 400.000 Euro auszustellen.
Noch weitaus größer ist der entstandene Schaden bei mutmaßlich illegalen Bankgeschäften. Nach Überzeugung der Ermittler vergab der Angeklagte gemeinsam mit ehemaligen Vorständen der Elsflether Werft regelmäßig Darlehen. Sie sollen wie eine Bank gehandelt haben, ohne dafür die Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gehabt zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Verlust in zweistelliger Millionenhöhe aus.
Geständnis des Angeklagten: „Darlehen zwischen Tür und Angel“
Der Angeklagte gab vor Gericht einen Einblick in das Geschäftsgebaren. Er berichtete von seiner Karriere bei der Werft - vom persönlichen Assistenten bis zum Mitglied im Aufsichtsrat. Bei einem Treffen mit dem Aufsichtsrat sei ihm zum ersten Mal die Praxis mit den Darlehen begegnet, räumte der Geschäftsmann ein. Die damals schwer kranke Aufsichtsratsvorsitzende habe darauf bestanden, damit sich offene Darlehen im Fall ihres Todes mit privaten Vermögen aufwiegen und ihre Töchter nichts erben würden.
Die Deutsche Marine hatte die Werft zu der Zeit mit der Instandsetzung mehrerer Schiffe und Boote beauftragt - unter anderem mit der Sanierung des Schulungsschiffs „Gorch Fock“. Die Arbeiten verzögerten sich, die Kosten stiegen. „Das hat sich sprunghaft erhöht“, sagte der 36-Jährige. Für die Werft sei das zunächst ein Segen gewesen. Doch schließlich erhöhten sich auch die Summen, die das Unternehmen vorstrecken musste. „Das hatten wir so nicht kalkuliert.“
Im Jahr 2018 spitzte sich die Lage nach Schilderung des Angeklagten zu. Die reiche Aufsichtsratsvorsitzende starb, die finanziellen Engpässe wurden größer. Schließlich warnten Wirtschaftsprüfer, dass der Werft und ihren Gesellschaften die vielen Darlehen und Überweisungen um die Ohren fliegen könnten. „Die Darlehen sind im Prinzip zwischen Tür und Angel gewährt worden“, sagte der ehemalige Geschäftsführer. Niemand habe bei der Werft auf die Warnung der Wirtschaftsprüfer reagiert. „Ich war völlig überfordert.“
Geschäfte der Werft beschäftigen seit Jahren die Justiz
Die Ungereimtheiten bei der Werft fielen auf, 2019 meldete das Unternehmen Insolvenz an und wurde verkauft. Die Ermittler durchleuchten seit Dezember 2018 das Beziehungsgeflecht zwischen der Werft, Subunternehmern in der Region und der Marine. Eine eigens eingerichtete Sonderkommission „Wasser“ wertete mehr als 14 Terabyte Daten und 1.450 Aktenordner aus.
In den Skandal waren zahlreiche Mitarbeitende der Werft und ein Kostenprüfer des Marinearsenals verwickelt. Letzterer wurde wegen Vorteilsannahme zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Zwei weitere Urteile gegen einen ehemaligen Vorstand der Werft und gegen eine ehemalige Prokuristin sind nicht rechtskräftig, beide Fälle liegen momentan beim Bundesgerichtshof. Ein Verfahren gegen einen weiteren Ex-Vorstand der Werft wurde aus gesundheitlichen Gründen vorläufig eingestellt.
Angeklagtem drohen bis zu zweieinhalb Jahre Haft auf Bewährung
Im laufenden Prozess am Landgericht Oldenburg stimmte der Angeklagte einer Verständigung mit dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung zu. Demnach drohen ihm eine Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und zehn Monaten bis zu zweieinhalb Jahren - auf Bewährung für einen Zeitraum von drei Jahren. Zudem soll der Geschäftsmann eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 Euro an die Staatskasse oder an eine gemeinnützige Organisation zahlen. Voraussetzung dafür ist ein umfassendes Geständnis. Der Prozess könnte Mitte Februar zu Ende gehen.