Gesellschaft Gesellschaft: Japanerinnen wollen im Sommer weiß sein

Tokio/dpa. - Ganz anders in Japan. Dortfinden die Frauen es geradezu furchtbar, braun zu werden. «Als ichdas letzte Mal aus dem Urlaub kam, schrie meine Nachbarin entsetzt:«Warum bist Du denn so schwarz geworden!?», erzählt die 38-jährigeHausfrau Eriko. Mit ihrer gebräunten Haut widersprach die Japanerindem Schönheitsideal der meisten ihrer Landsleute. «Bi-Haku», schönund weiß, lautet das Streben nach einer Haut wie Porzellan.«Whitening»-Produkte, Pflegemittel, die die Pigmentflecken aufhellenbeziehungsweise für helleren Teint sorgen, boomen in ganz Asien.
Schon in früheren Jahrhunderten waren weiße Gesichter dasSchönheitsideal in Japan. So benutzten Frauen in der Nara-Zeit(710-794) unter anderem Puder aus Mineralien oder ein traditionelles«o-shiroi»-Puder aus klebrigem Reis, Hirse und Gerste. Nochausgeprägter war das Schönheitsideal weißer Haut in der folgendenHofkultur der Heian-Zeit (794-1185). Damals verbrachten dieEdelfrauen die meiste Zeit im Palast fern des Sonnenlichts. Ihre Hautwar dadurch viel weißer als die der gemeinen Leute, die draußenarbeiteten. Weiße Haut galt als Zeichen des Adels. Damals war esBrauch unter Männern von hohem Rang, ihre Frauen nur gelegentlich fürdie Nacht zu besuchen.
«Während die Edelfrauen auf ihre Männer warteten, schminkten siesich so weiß wie möglich, damit ihr Gesicht und ihre schwarzen,langen Haare im Kerzenlicht des Hofes passend zu ihren seidenenKimono schön leuchteten», erklärt Masayoshi Nakano. Er istSchönheitsberater beim japanischen Kosmetikkonzern Kanebo, demPionier moderner «Whitening»-Kosmetik schlechthin. Lange Zeit, soerzählt der Experte, seien die Mittel und Methoden zur Aufhellung derHaut oft schädlich für den Körper gewesen. So enthielt zum Beispieldas in der Meiji-Zeit (1868-1912) besonders beliebte Puder «enpaku»Blei. Erst im Jahr 1966 brachte Kanebo das erste unschädlicheKosmetik-Produkt zur Aufhellung der Haut auf den japanischen Markt.
Kanebo ist heute das führende Unternehmen in Japan fürWhitening-Kosmetika im Prestigemarkt - und damit Trendsetter in ganzAsien. Dabei hat sich das Schönheitsideal der Japanerinnenzwischenzeitlich öfter mal geändert. So zeigen Werbeposter vom Endeder 60er Jahre Frauen im Sommer mit brauner Haut. «Damals war manchic, je dunkler man im Sommer wurde. Das muss der Einfluss desWestens gewesen sein», sagt Nakano. «Im Herbst musste man aberunbedingt wieder helle Haut haben». Seit den 90er Jahren jedochwollen die Japanerinnen auch im Sommer schöne weiße Haut haben - undlassen sich das Einiges kosten.
Während sich der Kosmetikmarkt insgesamt jahrelang eher schleppendentwickelte, ist der Markt für Whitening-Produkte am Wachsen. Siemachen inzwischen ein Viertel des gesamten japanischen Marktes fürHautpflegemittel aus. Etwas aus dem Rahmen fielen einzig japanischeMädchen in Tokios Szene-Viertel Shibuya, die Ende der 90er begannen,sich ihre Haut in Sonnenstudios regelrecht zu schwärzen. «Sie lehntendas Schönheitsideal ihrer Elterngeneration ab», sagt Nakano. Währendimmer noch manche dieser jungen Frauen in Tokios Szene-Vierteln zubeobachten sind, wird das japanische Werbefernsehen ansonstenausschließlich von Frauen mit heller, fleckenloser Haut dominiert.
Doch heute geht es den Kundinnen nicht mehr nur allein um dasAussehen, auch das wachsende Gesundheitsbewusstsein spielt einezunehmende Rolle. So dienen nicht nur Kosmetika dazu, die Haut vorschädlichen Strahlen zu schützen. Die Liebe der Japanerinnen für einefleckenlose Porzellan-Haut kurbelt auch die Nachfrage nach kleinenSonnenschirmen zum Spazierengehen, Hüten mit UV-Schutz und T-Shirtsmit langen Ärmeln an. Derweil zeigen jüngste Marktforschungen ausEuropa und USA, dass es mittlererweile auch im Westen einen kleinen,aber im Wachstum begriffenen Markt für Whitening-Produkte gibt.