Gesellschaft Gesellschaft: Deutschlands bekannteste Ex-Hure Domenica wird 60

Boos/Hamburg/dpa. - Ihren Geburtstag wollte sie eigentlich nochnie feiern. «Und nachher war es doch immer schön», erinnert sichDomenica, die für viele Hamburgs, wenn nicht Deutschlands bekannteste Ex-Hure ist. Am Mittwoch (3. August) wird Domenica Niehoff 60 Jahrealt. Doch die Geburtstagsfete steigt nicht etwa auf dem Kiez in derHansestadt, sondern in Boos. Das rheinland-pfälzische Eifel-Dorf hatknapp 700 Einwohner, liegt nur wenige Kilometer vom Nürburgringentfernt und ist Domenicas neues Zuhause. «Dieses Haus hat auf mich gewartet, es hat die Nummer 60», deutet sie das Zahlenspiel undlächelt zufrieden.
Das gelb gestrichene Haus an der Hauptstraße ist für Domenica derBeginn eines neuen Lebens. Sie erbte es von ihrem Bruder, der vorrund drei Jahren starb. Der Tod ihres noch einzigen Verwandten habesie zunächst in ein tiefes Loch gestürzt, erzählt die gebürtigeKölnerin. Gesundheitliche Probleme kamen hinzu. «Ich wundere mich,dass es mir heute wieder gut geht», sagt Domenica. Von September anwill sie drei Gästezimmer vermieten - so, wie viele Einwohner eswegen der Nähe zum Nürburgring tun. Vom Rotlichtmilieu habe sie sichschon lange verabschiedet, beteuert sie, wenngleich Freunde auch ausfrüheren Zeiten nach wie vor für einen Plausch willkommen seien.
Vor Jahrzehnten verdrehte Domenica als vollbusige, dunkelhaarigeEdel-Prostituierte den Männern den Kopf. Als sie sich outete, wurdesie zum Medienstar. Domenica hat viel erlebt: Sie verbrachte zehnJahre in einem Waisenhaus, heiratete einen Bordellbesitzer, arbeiteteals Prostituierte und betrieb ein eigenes Etablissement. Dann stiegsie aus, war Streetworkerin, öffnete eine Kneipe am HamburgerFischmarkt, die Pleite ging. «Bis jetzt habe ich nie mit meinem NamenGeld verdient», sagt Domenica, die ihre Schulden nach eigenen Angabenmit dem geerbten Vermögen ihres Bruders begleichen konnte.
«Domenicas Nähkästchen» soll nun ihre Pension heißen. DasNähkästchen gibt es wirklich. Das hölzerne Kleinod mit dreiSchubladen kaufte Domenica für 500 Mark einer Prostituierten ab, dieaussteigen wollte und Geld brauchte. «Nette Gäste» können sich aufGeschichten aus dem wahren Leben freuen. «Da kann man aus demNähkästchen plaudern», flüstert die künftige Gastgeberin und öffnetden Deckel leicht. Dann holt die gesprächige Dame ein großes,eingerahmtes Schwarz-Weiß-Foto hervor, auf dem sich die bildhübsche,junge Domenica in einem Spiegel betrachtet: «Das ist mein altesLeben», sagt sie. Im Eingangsbereich ihrer Pension soll es hängen,nicht in den Zimmern der Gästen. «Sonst bekommen sie noch Albträume.»
Eine Wohnung hat Domenica bislang noch in Hamburg, das Haus inBoos wird derzeit renoviert. Für sie ist aber klar: «Ich bleibe jetzthier.» Allenfalls zu Besuch wolle sie noch in die Hansestadt fahren.In Boos habe sie nette Kontakte, auch am Dorfleben wolle sie sichbeteiligen. Der Pfarrer habe ihr gesagt: Sie haben schließlichSozialarbeit gemacht. Aber noch weiß die Zugereiste nicht, wie siedie langen Winter in der Eifel verbringen soll. Es gebe Strickabendeim Dorf. «Ich kann nur sticken», meint Domenica. Vielleicht mache sieetwas «Literarisches».
Ganz in der Nähe ihres neuen Zuhauses wohnt ein Bekannter, denDomenica nach langer Zeit vergangene Weihnachten zufällig in Hamburgwiedertraf. «Einen Lebenspartner habe ich noch nicht, aber einen sehrguten Freund», sagt sie über ihn. Das Leben in Hamburg beschreibtDomenica als «schaurig schön». Jetzt sei es nur noch schön. «DieNatur hat mich wieder. Ich bin doch Natur. Ich war nie künstlich.»