1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Geschichte: Geschichte: Radebeuler DDR-Museum ist das größte seiner Art

Geschichte Geschichte: Radebeuler DDR-Museum ist das größte seiner Art

Von Torsten Klaus 06.02.2007, 07:02
Im DDR-Museum «Zeitreise» im sächsischen Radebeul bei Dresden präsentiert der Museumschef Hans-Joachim Stephan inmitten einer nachgestellten Kaufhalle ein Plakat. (Foto: dpa)
Im DDR-Museum «Zeitreise» im sächsischen Radebeul bei Dresden präsentiert der Museumschef Hans-Joachim Stephan inmitten einer nachgestellten Kaufhalle ein Plakat. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Radebeul/dpa. - Doch um pure Ostalgie geht es hier nicht. Indem Plattenbau in Radebeul bei Dresden, der das DDR-Museum«Zeitreise» beherbergt, zeigen auf mehreren Etagen rund 38 000Exponate das Leben hinter dem Eisernen Vorhang. Real existierenderSozialismus auf 3500 Quadratmetern - das mit Abstand größte Museumdieser Art in Deutschland. Erst recht dann, wenn MuseumschefHans-Joachim Stephan in Kürze noch Ausstellungsräume mit Kunst und zuöffentlichen Einrichtungen der DDR eröffnet.

«Wir sind aber keine glorifizierende Sammelbude», schränkt Stephansofort ein. Der gebürtige Westfale, der nach der Wende fast stehendenFußes in den Osten kam - und im Gegensatz zu so manchem Glücksritterblieb -, will den Alltag der DDR mit seinen durchaus farbigenFacetten zeigen. «Staatssicherheit und Grenze sind wichtige Aspekte.Aber hier haben Menschen gelebt und versucht, nicht aufzufallen - sowie woanders auch», erzählt er schlicht. Dabei sagt er «hier» und«woanders», als ginge es vorrangig gar nicht um Ost und West. «Esgibt sonst kein Haus, wo das gezeigt wird», fügt er an.

Nun, es gibt sie schon. Die Palette reicht dabei vom DDR-Museum inBerlin bis hin zum Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR inEisenhüttenstadt. Dazwischen gruppieren sich kleinere Einrichtungenähnlicher Natur in Pirna, Apolda, Malchow, Pforzheim und sogar imholländischen Monnickendam. In Berlin kamen im ersten halben Jahretwa 80 000 Besucher. Zu einer Zeitreise in Radebeul ließen sich seitMai 2006 ungefähr 15 000 Menschen hinreißen. Dafür, sagt Stephan,betreibe er keine billige Effekthascherei wie «das großflächigeZeigen von FKK-Bildern». Ihm gehe es um die Verarbeitung der DDRunter einem weiteren Blickwinkel als nur dem des Unrechtsstaates.«Wir zeigen Entwicklung und Verfall, aber ohne abzuurteilen.»

Dabei stehen natürlich auch in Radebeul die Trabis in der unterenEtage in Reih und Glied - bis hin zum Post- und Fahrschulauto. Etwa130 Gefährte, die über den Ost-Asphalt holperten, hat Stephanzusammengetragen. Doch in erster Linie geht es ihm um Erhalt undVermittlung von Wissen. «Viele Westdeutsche haben doch zum Beispielgar keine Ahnung, wo die Wurzeln von Marken wie Audi oder BMWliegen», deutet er auf eine von vielen Wissenslücken hin, die mitBlick auf die DDR das öffentliche Bild bestimmen. Stephan bietetdeshalb auch Platz für Industriegeschichte, die oft genug abgewickeltwurde: Büromaschinen aus Sömmerda, Technik von Robotron, Kinderwagenaus Zeitz. Die Liste ist lang. Das eigentliche Problem liegt fürStephan aber länger zurück: «Die Innovation wäre in der DDRgeblieben, wenn man nicht alles verstaatlicht hätte.»

Ein bisschen Sammelsurium ist die Ausstellung trotzdem. Einekleine Kaufhalle («Hier werden die Frauen immer schwach.»), dieDederon-Schürze zum Anprobieren, der aufgeschnittene Trabi zumProbesitzen, sozialistische Losungen wie «Neuerer sein, heißt Kämpfersein - heute wie vor 25 Jahren» oder die schlichte Wandzeitung zurPlanerfüllung - all das sorgt für den Hauch DDR, den Stephanunbedingt zeigen will. Etwa 300 000 Euro sind privat bislang in dasMuseum geflossen. In diesem Jahr hofft der 51-Jährige erstmals aufrund 5000 Euro Förderung, vor allem für didaktische Schrifttafeln unddie Arbeit mit Schulklassen. «Sie sind regelmäßig zu Gast.»

Stephan sieht zwar noch Defizite, was Unterstützung durch diePolitik angeht. Dafür erhält er aber durchaus Anerkennung von andererSeite. «Für viele Ostdeutsche wird die DDR auf Stasi und Unrechtreduziert», sagt die Leiterin der Gedenkstätte Bautzen im ehemaligenStasi-Knast der Stadt, Silke Klewin. Sie sehe, bei aller Skepsis,DDR-Museen weniger als Konkurrenz. Vielmehr sei es wichtig, bei demThema zusammenzuarbeiten und auf andere Methoden zu setzen als nurden erhobenen Zeigefinger. Eine Warnung, die auch Stephan bestätigendürfte, hat sie dennoch parat: «Die DDR lässt sich nicht aufPittiplatsch reduzieren.»